Ein Interview mit Dominik Lochmann, den Geschäftsführer der ESG Edelmetall-Service GmbH & Co. KG:
Zurzeit steigt in Indien das Aufgeld beim Golderwerb auf bis zu 50 Dollar pro Unze, da Goldmünzen Mangelware sind. Da die Nachfrage weiterhin groß ist, erwarten die Regierung und die indische Notenbank für das Gesamtjahr Goldimporte im Umfang zwischen 900 und 1000 Tonnen. Wirkt sich dieser Anstieg an Goldimporten auf den europäischen Markt aus?
Indien hat neben der Anhebung der Importsteuer für Gold auch eine 80/20-Regelung eingeführt. Händler, die Gold importieren, müssen mindestens 20 Prozent davon auch wieder exportieren. Außerdem dürfen Banken keine Konzessionslager mehr anbieten, sodass die Goldhändler sich selbst um die Finanzierung ihrer Lager kümmern müssen. Da die indischen Marktteilnehmer sich erst auf die neuen Gegebenheiten einstellen müssen, ist der physische Markt in Indien jetzt kurz vor der Goldsaison, wenn zu den Hochzeiten im Herbst traditionell viel Gold zum Verschenken gekauft wird, sehr angespannt. Viel Gold wird geschmuggelt. Entsprechend steigt die Nachfrage in den Nachbarländern. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Für den europäischen Markt sind die Auswirkungen gering. Die Aufkaufaktionen der anderen asiatischen Länder machen den momentanen direkten Wegfall der Indiennachfrage mehr als wett.
Begünstigt ein schwacher US-Dollar steigende Goldpreise?
Da Gold in Dollar gehandelt wird, spielt für uns im Euroland der Wechselkurs natürlich eine Rolle. Eine direkte Korrelation zwischen Goldpreis (in Dollar) und dem Wechselkurs gibt es dagegen kaum noch. Dazu ist das System der Goldpreisfindung zu kompliziert und Währungen wie chinesische Yen und indische Rupien spielen nachfragebedingt für den Goldpreis eine größere Rolle als der Euro.
Die zeitweilige Zahlungsunfähigkeit der USA sorgt bereits seit 1995 für Aufruhr in der internationalen Wirtschaft. Gibt es Parallelen zwischen der Entwicklung der US-Schuldenkrise und dem Goldpreis?
Zunächst hielt bei der aktuellen US-Schuldenkrise jeder Marktteilnehmer erst einmal die Luft an, um zu sehen, was passiert. Händler, die aufgrund logischen Denkens und Vergangenheitsbezügen zu ähnlichen Situationen zu Recht von steigenden Kursen ausgingen und auf solche setzten, wurden enttäuscht, da der Goldpreis just in dem Moment, als jeder mit steigenden Preisen rechnete, durch gezielte Verkäufe von US-Banken – wie im April dieses Jahres – auf Talfahrt geschickt wurde. Aufgrund dieser Markteingriffe lassen sich mit logischen volkswirtschaftlichen Überlegungen leider keine zuverlässigen Preisprognosen mehr abgeben. Jede Kristallkugel würde zu ähnlich exakten Ergebnissen führen.
Über das Jahr gesehen unterlag der Goldpreis bisher einigen Schwankungen. Wie sehen Sie die bisherigen Entwicklungen im Vergleich zu den Preisschwankungen in 2012? Lassen sich prägnante Unterschiede erkennen, die den Markt tatsächlich negativ beeinflussen?
Durch die unkalkulierbaren Goldpreisschwankungen dieses Jahr sind gerade Privatinvestoren verunsichert. 2012 war ein Jahr ohne nennenswerte Ausschläge nach oben oder unten. 2013 ist das Umfeld, was Euro-Krise, Staatsschuldenkrise, Niedrigzinspolitik und deren Auswirkungen auf den internationalen Konjunkturmotor angeht, aus meiner Sicht eher pro Gold anzusehen. Warum die Kurse dennoch niedriger sind als im Vorjahr, liegt neben den offensichtlichen Marktmanipulationen auch an steigenden Aktienmärkten. Viele Großinvestoren, die Gold nicht als langfristiges Kriseninvestment betrachten, haben Gold verkauft, um mit dem Geld auf den Fahrt aufnehmenden Aktienzug aufzuspringen. Wer das große Gesamtbild betrachtet, sieht die momentan eher niedrigen Preise im Goldmarkt jetzt somit als günstige Einkaufsgelegenheit. Die Geldmengen werden weltweit unkontrolliert ausgedehnt und die Weltwährung Gold wird von der Politik und den US-Großbanken schlechtgeredet. Mal sehen, wer letztendlich auf der Gewinnerseite steht und das beste Blatt hat, wenn die Karten auf den Tisch gelegt werden müssen.
Lassen sich Privatkäufer von den aktuellen Goldpreisschwankungen beeinflussen?
Privatkäufer teilen sich hinsichtlich der Sensibilität für Goldpreisschwankungen in drei Lager auf. Erstens die regelmäßigen Käufer, die ähnlich einem privaten Goldsparplan relativ kursunabhängig regelmäßig Gold als langfristiges Investment erwerben und somit für sich persönlich einen über alle Schwankungen hinweg geglätteten Einstiegspreis haben. Zweitens die sich in Habtachtstellung befindenden Schnäppchenjäger, die warten, bis die Kurse ein paar Prozent gefallen sind, und dann triumphierend zuschlagen. Drittens die Herdenkäufer, die warten, bis die Kurse mehrere Tage hintereinander steigen, und dann auf den Zug aufspringen, um ja das Comeback des Goldpreises nicht zu verpassen.