Wird er wirklich kommen, zur Tee Time um 9.30 Uhr? Schließlich hat Direktor Alexander Aisenbrey die längste und für ihn intensivste Partynacht der vergangenen Jahre hinter sich. 300 geladene Gäste haben mit ihm bis in die frühen Morgenstunden auf Sterne-Niveau geschlemmt, in Champagner förmlich gebadet und zu einem mitternächtlichen Konzert von Sascha abgerockt. Uli Hoeneß und Marcel Reif waren dabei, Philipp Lahm und Clemens Tönnies, etliche der führenden Hoteliers des Landes, Gastköche wie Alfons Schubeck und Christoph Rüffer vom Vier Jahreszeiten in Hamburg. Aisenbrey hat mit Reinhold Beckmann durch den Abend moderiert und dabei mehr Lacher geerntet als der Fernsehprofi. Unwahrscheinlich, dass er die frühe Verabredung zum Golfen zur vergleichsweise frühen Stunde wirklich einhält…
Aber Aisenbrey ist der erste in der Tee Box. Er hat sich schon eingeschlagen und strahlt voller Vor- und Nachfreude. Sein Öschberghof hat die Premierennacht ebenso tadellos überstanden wie er selbst. Clubmanager Alexander Lux gibt uns im blauen Blazer die Startfreigabe zum Spiel auf dem Old Course, einem von drei Plätzen der 45-Loch-Anlage. Sein Chef überlässt mir die Ehre des ersten Abschlages und erweist sich auch sonst als perfekter Gastgeber: Seinen Schlag donnert der Direktor in die dicht gestaffelte Baumreihe zur Linken. Der Bestlaune tut das keinen Abbruch, auch wenn die gewohnte Form noch auf sich warten lässt. Kein Wunder, denn: „Wir haben jetzt drei intensive Baujahre hinter uns – bei laufendem Betrieb. Da bin ich nicht oft zum Spielen gekommen.“
Spa mit Golfball-Massage
Von dem seit 1976 bestehenden Hotel ist dabei nicht viel übrig geblieben. Zu den vorhandenen und rundum renovierten 73 Zimmern sind 53 neue, ein Spa mit 5.000 Quadratmetern (im Angebot ist auch eine Massage mit Golfbällen), ein ganzjährig beheizter Außenpool, ein Fußballplatz, riesige öffentliche Flächen, fünf Tagungsräume, zwei neue Restaurants, eine Golf Academy und ein weiterer18-Loch-Platz direkt am Hotel, der anspruchsvolle East Course sowie der relativ kurze 9-Loch Academy Course hinzu gekommen. Auf Anhieb gab es dafür die höchste Weihe für ein Hotel – die Kategorisierung als Fünf-Sterne-Superior-Haus, und zwar mit der höchsten Punktzahl in ganz Baden-Württemberg. Noch vor der berühmten Traube-Tonbach in Baiersbronn, wo Aisenbrey bis vor 18 Jahren selbst gearbeitet hatte. Durch sein Wirken dort wurde er einem gewissen Karl Albrecht und seinem Geschäftsführer Ulrich Wolters empfohlen. Wolters, der Chef von Aldi-Süd, erkannte seine Gastgeber-Qualitäten und bot dem damals 29-Jährigen die Leitung des Öschberghofes an.
Karl Albrecht war ein begeisterter Golfspieler, Single-Handicaper und bekennender Short-Hitter. Ulrich Wolters über seinen langjährigen Chef: „120 Meter war seine normale Abschlagdistanz. Aber er spielte unglaublich präzise und verlor fast nie einen Ball.“ Einmal wunderte sich Wolters über den schon ziemlich abgenutzten Ball seines Chefs, den das aber nicht störte. Erst als er Karl Albecht, den reichsten Mann Deutschlands, darauf hinwies, dass alte Bälle nicht mehr so weit fliegen, konterte der trocken: „Dann werde ich mir jetzt wohl mal einen Neuen kaufen.“
Platz-Design vom Aldi-Gründer
Den Old Course hat Albrecht selbst entworfen. Weil er mit dem Entwurf eines Golfplatz-Architekten nicht einverstanden war, zeichnete er auf Millimeter-Papier seinen eigenen Traumplatz. Der guten Ordnung halber ging die Zeichnung noch in einen anonymen Wettbewerb mit vier weiteren Entwürfen – und gewann.
Noch heute, 45 Jahre später, beeindruckt der parkähnlich gestaltete Platz mit seinem stattlichen Baumbestand, renaturierten Wasserhindernissen, sanften Hügeln und langen Bahnen. Und mit seiner eindrucksvollen Fauna. Während Alexander Aisenbrey an Loch drei zu gewohnter Form zurück findet, landet ein Weißstorch am Rande des benachbarten Fairways. Der Hoteldirektor wirkt unbeeindruckt, denn: „Wir haben hier ungefähr 30 Störche, aber auch Biber, große Milane, Rehe und leider auch noch ein paar Wildschweine.“
Dank seiner 30 Greenkeeper bleibt das rege Tierleben aber weitgehend ohne sichtbare Spuren. Nur ein paar angeknabberte Bäume deuten auf die streng geschützten Biber hin. Mehr und mehr kann Alexander Aisenbrey seine Platzkenntnis ausspielen. Da sind zum Beispiel die riesigen Vorgrüns, die den Ball ungewöhnlich stark bremsen. Wer da nicht präzise puttet, erlebt unangenehme Überraschungen. Zum Glück ist der Direktor nicht der kompetitive Typ, sondern eher Geselligkeitsgolfer mit hoher Konversationsbereitschaft.
Hoffnung auf Sterne
Er schwärmt geradezu von seinen Mitarbeitern, die meisten noch ziemlich jung und erstaunlich motiviert. Warum das so ist? „Zusammen mit jetzt schon 80 weiteren Betrieben haben wir die Initiative Fair Job Hotels gestartet. Wir zahlen über Tarif, halten die vorgeschriebenen Arbeitszeiten streng ein und bieten zahlreiche Weiterbildungsmaßnahmen an.“ Denn gute Mitarbeiter für die Hotellerie zu finden werde immer schwieriger. Der junge Küchenchef seines neuen Gourmet-Restaurants Ösch Noir, Manuel Ulrich, etwa ist ein Eigengewächs. Ihn hat Aisenbrey zu seinem alten Chef und Freund, Heiner Finkbeiner, in die Traube-Tonbach geschickt. Dort hat er sich bei Drei-Sterne-Koch Torsten Michel den letzten Schliff geholt. Und was Manuel Ulrich zur Restaurant-Eröffnung an neu interpretierter Schwarzwaldküche auf den Tisch bringt, rechtfertigt die schönsten Hoffnungen auf eigene Michelin-Sterne.
Aber Alexander Aisenbrey ist Realist: „Wir starten hier ja quasi neu und müssen unsere lieb gewonnenen Stammgäste ebenso halten, wie eine neue internationale Klientel erobern.“ Viele Schweizer sind schon da, wegen der räumlichen Nähe und weil für sie Übernachtungspreise ab 398 € für ein Doppelzimmer mit Halbpension in dieser Liga eher ein Schnäppchen sind. Und auch das Tagesgreenfee von 65 € für Hotelgäste bzw. 80 € (am Wochenende 90€) für Auswärtige pro 18 Loch wirkt alles andere als abschreckend. Mit Sommelier Michael Häni, ehemals Baur au Lac in Zürich, hat der Öschberghof sogar einen waschechten Schweizer auf der Payroll. Seine Weinkarte hat jetzt schon 500 Positionen. Darunter der legendäre Château Pétrus, der sogar offen ausgeschenkt wird.
Zum Abschluss der morgendlichen Golfrunde bekomme ich beiläufig noch einen Hinweis vom Direktor. Im Hexenweiher, dem Clubrestaurant, sei das alte Bag von Karl Albrecht ausgestellt. Der Blick lohnt sich – in die Seele eines leidenschaftlichen Golfers und auf ein ziemlich intensiv genutztes unscheinbares Lederbag mit einem Eisensatz von Mizuno (Paragon Tour Specification) und drei Yoshiba-Hölzern. „Hr. K. Albrecht“ steht auf dem Tag und daneben hängt ein häusliches Frotteetuch in Lachsrosa. Nur den neu gekauften Golfball suche ich vergeblich.