Herr Meister, können Sie mir kurz erläutern wie es zur Gründung der European Association of Golf Historians & Collectors kam, aus welcher Notwendigkeit heraus und wer die Initiatoren sind?
Christoph Meister: Nachdem es schon seit Jahren entsprechende Organisationen in den USA (The Golf Collectors Society, GCS) und Grobritannien (The British Golf Collectors Society, BGCS) gibt, fanden wir, dass es an der Zeit sei etwas entsprechendes in (Kontinental-)Europa aufzuziehen. Trotz unserer anfänglichen Bedenken bei der Namenswahl, haben uns letztlich die Kollegen von der British Golf Collectors Society vorgeschlagen unsere Vereinigung European zu nennen.
Schon seit Jahren findet ein reger Austausch golfhistorisch Interessierter ber Golfika.com statt, schließlich feiert diese Seite bald ihr 10-jähriges Jubilum. Über die Zeit ist so ein informelles Netzwerk entstanden und wir fanden, dass es an der Zeit sei, das ganze etwas zu offizialisieren.
Der treibende Motor dabei war ganz sicher Jean-Bernard Kazmierczak, der derzeitige und erste Vorsitzende der EAGHC.
Ihre Vereinigung sieht sich ja nicht nur als Zusammenschluss von Sammlern, sondern fasst auch Historiker mit ein.
Christoph Meister: Auch die anderen beiden vorgenannten Organisationen (GCS und BGCS) sehen sich als Zusammenschluss von Historikern, haben dies aber irgendwie nie in ihren jeweiligen Organisationsbezeichnungen festgehalten, golfhistorisch wertvolle Artikel in den jeweiligen Magazinen „The Bulletin“ (GCS) und „Through the Green“ (BGCS) belegen dies.
Ein jährliches Magazin in gedruckter wenngleich anfänglich auch in einfacher Form ist für Dezember 2006 geplant und es ist beabsichtigt, dass jeder golfhistorisch Interessierte sich dieses Magazin bei uns kaufen kann.
Hauptzweck unserer Organisation ist der Austausch von Informationen unter Golfhistorikern und -sammlern, und zwar über Ländergrenzen hinweg.
Welche Aktivitäten wird es noch geben?
Christoph Meister: Mittelfristig wird z.B. an ein Projekt über die Digitalisierung von historischen europischen Golfzeitschriften und Dokumenten gedacht, der langfristige Traum wäre z.B. die Schaffung eines Europäischen Golfmuseums, aber dabei handelt es sich derzeit noch um Schlösser in Spanien (=Luftschlösser), wie man in Frankreich sagt. Vielleicht wäre ein Schloss in Spanien gar der rechte Ort für ein Europisches Golfmuseum.
Greenkeeping, Indoor Golf und der Umgang mit außersportlichen Rechercheergebnissen
Die Arbeit der Greenkeeper wird von den Golfspielern oft als strend empfunden oder unterschätzt bzw. man weiß gar nicht was denn überhaupt alles auf dem Platz gemacht wird. Die United States Golf Association Green Section hat sich schon in den 1920er Jahren wissenschaftlich um die Weiterentwicklung von Rasen und Gärten gekümmert. Bernhard von Limburger wäre 1927 mit seinem Deutschen Golf Verlag gerne Mitglied bei der Green Section geworden. Gibt es Belege darüber, ob es in Deutschland ähnliche Ansätze beim Greenkeeping gab?
Christoph Meister: Dieses Thema bedarf noch einiger Forschung, sicher ist jedoch, dass Bernhard von Limburger sich viel und schon früh in den zwanziger und dreiiger Jahren mit diesem Thema beschäftigt hat. Nach dem Krieg hat Limmy die Rasenfibel verlegt, die sich mit dem Thema beschftigt. Bei seinen Platzbauten hat er oft Bodenproben und Anfragen für geeignete Grasssorten an das einschlägige wissenschaftlich ausgerichtete Rasenforschungsinstitut in Grobritannien gerichtet.
R. A. Oakley, von der Green Section, meinte nach seinem Besuch 1926 in Deutschland, dass die Plätze in Deutschland beim Greenkeeping unter Standard gewesen wären.
Christoph Meister: 1926 waren die Deutschen Golfplätze auf jeden Fall nicht in dem Zustand, wie wir heute die Golfplätze kennen, aber es gab auch viel weniger Golfspieler pro Golfplatz. Ein Golfclub hatte oft nur 50 Mitglieder und insofern war natürlich auch weniger Geld zur Platzpflege vorhanden. Das gilt nicht für Großstadtclubs in Hamburg, Frankfurt oder Berlin, die schon damals 400 bis 600 Mitglieder hatten.
In den großen Stdten der USA gab es ab Ende des 19. Jahrhunderts erste Indoor Golf Hallen, später auch in England (Kaufhaus Harrods, London). Ich könnte mir dies für das kaiserliche Deutschland nur schwer vorstellen. Im Berlin der 1920er Jahre schon eher. Wissen Sie darber etwas oder gab es in dieser Zeit auch noch keinen Bedarf?
Christoph Meister: Es gibt durchaus Hinweise auf Wintergolfschulen in Deutschland in den späten zwanziger Jahren, u.a. im Rheinland. Vom Nordseesanatorium auf Föhr mit seinem Privatgolfplatz gibt es Photos vom Golftraining in der Turnhalle, auch diese Bilder datieren aus den späten 20er Jahren
Bei harmlosen Recherchen gerät man leicht in außersportliche Dinge (z.B. dem Nationalsozialismus), die einem das Schreiben z.B. einer kurzen Vereinsbiografie verleiden, weil man einerseits etwas verschweigen muss, um beim Sport zu bleiben und andererseits auch niemanden diffamieren will und eine Recherche in solch einem Fall hieb- und stichfest sein muss. Wie sehen Sie als Sporthistoriker diese Problematik und wie gehen Sie damit um?
Christoph Meister: Aktuelle Entwicklungen um die Chronik des Deutschen Fuball-Bund (DFB) haben gezeigt, dass die Öffentlichkeit an einer korrekten Aufarbeitung der Nazizeit interessiert ist, auch Volkswagen oder die Dresdener Bank versuchen derzeit in dieser Richtung vorbildlich zu agieren.
Meiner Meinung nach arbeitet die Chronik des Deutschen Golf Verbandes (DGV), die im Dezember 2006 auf Grundlage jahrelanger Recherchen erscheinen ist, wissenschaftlich fundiert und schonungslos z.B. die Zeit der dreißiger Jahre auf. Insofern kann ich jedem historisch Interessierten nur die Lektüre dieser vierbändigen Chronik empfehlen. Ich kenne aktuelle Chroniken von Sportvereinen die die dreißiger Jahre immer noch stiefmütterlich und undifferenziert betrachten.
Bei der sporthistorischen Betrachtung und Aufarbeitung einer Epoche wie der Zeit von 1933 bis 1945 in Deutschland gilt natürlich zunächst auch hier die Unschuldsvermutung, d.h. solange es keinen hieb- und stichfesten historischen Beleg gibt, kann ich z.B. nicht irgendeinen Sportler einer bestimmten undemokratischen Partei zuordnen bzw. ihn als Nazi bezeichnen.
Zur Entwicklung des Golfsports in Deutschland vs. USA
Bei 100 Jahren Golfsport in Deutschland wird den meisten Mitbürgern außer dem Namen Bernhard Langer wenig einfallen. Trotz Langers Erfolge und dem Boom beim Golfplatzbau in den 1990er Jahren ist Golf hierzulande kein Breitensport. Der Golfsport in Deutschland hat im Vergleich zu den USA. eine völlig andere Entwicklung genommen. In Deutschland wird Golf vielfach noch nicht als föfentlich zugänglicher Sport wahrgenommen, obwohl der leichte Einstieg möglich ist und öffentliche Plätze heute vorhanden sind. Im Vergleich zu den großen Golfnationen ist die Anzahl aber immer noch gering.
Es ist so, dass man bereits Anfang des 20ten Jahrhunderts in Grobritannien und den USA erkannt hat, dass es wichtig ist auch breiteren Schichten der Bevölkerung den Zugang zum Golfsport zu ermöglichen, erläutert Christoph Meister. In Grobritannien gibt es heute noch auf vielen alt eingesessenen Plätzen so genannten Artisan Golfers Associations, wo für wenig Geld Einheimische zu Zeiten geringer Nutzung des Golfplatz spielen können, zumeist müssen sie dafür handwerkliche Gegenleistungen bzw. Arbeitsstunden auf dem Golfplatz erbringen, daher also auch der Name.
Christoph Meister findet die Mehrgleisigkeit des Golfsports in den USA vorbildlich, es können so mehrere Arten von Golfplätzen nebeneinander bestehen. Es gibt die öffentlichen Plätze, auf denen jedermann, vielleicht auch nur ein paar Mal im Jahr, oft auch ohne Handicapnachweis, golfen kann. Hier werden durchaus neue Golfer an den Sport herangeführt. Die Plätze sind einfacher gestaltet, deshalb auch billiger im Unterhalt, und jedermann kann für wenig Geld golfen. Weiterhin gibt es semi-private Plätze bzw. Clubs, diese Plätze lassen zumindest zu gewissen Zeiten jedermann zu, um so z.B. ein gewisses Greenfeeeinkommen zu generieren. Die Plätze sind schon anspruchsvoller und pflegeintensiver gestaltet, um den Mitgliedern dennoch ein relativ preisbewusstes Golfen zu ermöglichen, lässt man, zumindest zeitweise, Greenfeespieler zu. Als dritte Form sieht Meister die Privaten und oft auch sehr traditionsreichen Clubs, die sich durch die vorgenannten anderen Spielformen nicht gefährdet sehen. Dort nimmt man sich die Freiheit zu entscheiden, wer auf dem Platz spielen darf, dafür sind die Kosten der Mitgliedschaft dann auch ungleich hher – doch am Ende des Tages existieren alle Formen von Golfclubs nebeneinander.
Diese verschiedenen Formen gibt es in Deutschland auch, wobei allerdings oftmals der öffentliche Kurzplatz von den Clubs als Einstieg gesehen wird, mit der Hoffnung, dass die Neugolfer später Clubmitglieder werden. Christoph Meister meint, dass es zu einem Nebeneinander der verschiedenen Formen kommen muss. Dieses sinnvolle Nebeneinander zu Erkennen, so Meister, dürfte ein Schlüssel für die weitere Entwicklung des Golfsports in Deutschland sein d.h. ein Golfneuling muss erkennen, dass Golf nicht zwangslufig karierte Hosen und Clubleben bedeutet, die etablierten Clubs müssen erkennen, dass die Neugolfer nicht ihre eigene Existenz zerstören werden, im Zweifel werden hier nämlich die Mitglieder von morgen dem Sport zugeführt.
Golfplätze haben einen hohen Platzbedarf (erst ab 60 bis 80 Hektar gilt eine 18-Lochanlage als umweltvertrglich, vgl. http://www.frsw.de/landschaftsverbrauch.pdf) und einige ökologische Nachteile, die eine Planung oft zum Genehmigungsmarathon ausarten lassen, daher sieht Meister in vielen inzwischen dicht besiedelten Ländern Europas wie z.B. den Niederlanden oder der Schweiz ganz einfach ein Platzproblem, das neue Golfplätze teuer macht und so die Entwicklung des Golfsports aufhält. Dies seien auch Gründe für die unterschiedliche Entwicklung des Golfsports. Umweltpolitische Bedenken, die den Bau und das Genehmigungsverfahren eines Golfplatzes, insbesondere in Deutschland und der Schweiz so schwierig gestalten, sind in dieser Form in Ländern wie der USA oder Grobritannien unbekannt. Das können Sie u.a. daran merken, wenn Sie einmal einen Angelsachsen fragen, ob man den Schläger in einem Biotop aufsetzen darf, er wird Sie fragen: Was ist ein Biotop? (Mehr zum Thema Golfplätze und Umweltschutz)
Text/Interview: Günter Sahler