In diesem Interview sprechen der deutschen Profi-Triathlet Christoph Mattner und der Golpofi Heinz Schmidbauer über Ihre Sportart. Dabei geht es auch um die Frage: kann man vom Golfspielen leben?
Sportlich interessante und facettenreiche Wochen liegen hinter uns. In den unterschiedlichsten Disziplinen gab es Wettkämpfe auf hohem Niveau, so schlugen die Profigolfer auf der neugegründeten internationalen LIV Golf Tour in Boston ab und in Posen gab es eine Premiere beim Ironman 70.3 Poznan. Nun haben Golf und Triathlon auf den ersten Blick recht wenig gemeinsam, aber beide Trendsportarten erleben seit geraumer Zeit einen starken Zulauf und bieten ambitionierten Amateuren die Gelegenheit viel Zeit und Geld in ihr Hobby zu investieren.
Wie aber gestaltet sich das Leben, wenn man versucht sich als Profi in diesen beiden Disziplinen zu etablieren und von den sportlichen Leistungen leben möchte? Ein spannendes Thema, dem sich in diesem Interview der Buchautor und ehemalige Playing Golf Pro Heinz Schmidbauer und der deutsche Profi-Triathlet Christoph Mattner stellen.
Die deutsche Leichtathletin und amtierende Europameisterin Gina Lückenkemper monierte sich bereits nach der diesjährigen Weltmeisterschaft über die unzureichende finanzielle Rückendeckung der Sportverbände in Deutschland. „Wenn man es einmal in Relation setzt, […] wie sie sich den Arsch aufreißen müssen, um gegen diese Vollprofis antreten zu können.“ – Nun sind professionelle Golfer, wie auch Triathleten im Profibereich, individual-Sportler und werden weder über Verbände, noch über Anstellungsverhältnisse subventioniert.
Wie risikoreich ist es da, wenn man sich heute als Sportler selbstständig macht und Profi wird ?
Nachgehakt bei Christoph Mattner: Du hast die Weltbestzeit der AgeGrouper aufgestellt. Bist damit der schnellste Triathlon-Amateur
weltweit, dann bist Du zu den Profis gewechselt. Ist es nur eine sportliche oder auch eine berufliche Entscheidung? Ist ‚Triathlet‘ ein Beruf?
Im Profibereich werden um die 30 Stunden pro Woche trainiert, da ist weder umziehen noch die Fahrt zum Schwimmbad mit dabei. Ich denke da kann man schon von einem Beruf sprechen. Für mich ist es aktuell aber tatsächlich nur eine sportliche Entscheidung, da ich zwar Sponsoren habe, die den Sport finanziell möglich machen, was jedoch aktuell nicht darüber hinaus reicht, um meine Fixkosten, wie Wohnung oder Auto zu bezahlen bezahlen. Daher gehe ich noch 30 bis 40 Stunden nebenbei arbeiten.
Nachgehakt bei Heinz Schmidbauer: Markus ‚Maudi‘ Brier, der nach einer sehr langen Vorlaufzeit irgendwann mal sehr erfolgt auf der European Tour spielte sagte uns einmal in einem Interview: „Ohne das Geld meiner Frau hätte ich mir das Abenteuer Golf-Profi nicht leisten können. Wie siehst Du die Situation heute? Reicht ein gutes Handicap, als Karrieregrundlage ?
Grundsätzlich hat jeder Sportler heute das gleiche Risiko, wie ein selbstständiger Unternehmer. Nur hat er nicht soviel Zeit, da die Karriere meist nach ca. 20 Jahren zu Ende ist. Er muss also in der kurzen Zeit so viel verdienen, dass er später eine Grundlage hat. Genau dass ist heute das Problem. Bei mir, genauso wie bei Markus Brier, klappte es noch, Studium sowie Leistungssport unter einen Hut zu bringen und verhältnismäßig spät ins Profilager zu wechseln. Um heutzutage eine Golfsaison zu finanzieren braucht man etwa 100 000 Euro für Flüge, Hotels, Betreuer und Auto. Neigt sich die Karriere zu Ende, sind die Sponsoren knallhart: Schläger und Bälle kannst Du noch kostenlos haben, aber Geld gibt es keines mehr. Nach meinem Turniersieg in Sun City (Südafrika) war das Finanzamt gefühlt einer meiner ersten Gratulanten und wollte im Anschluss auch noch eine Vorauszahlung für das nächste Jahr, ohne dass ich wusste, wie die nächste Saison überhaupt läuft.
Der Druck ist also enorm. In Deutschland oder Österreich ist es „etwas“ leichter Sponsoren zu finden, da die Dichte an jungen Pros nicht so hoch ist, wie in den klassischen Golfländern Großbritannien oder in den USA.
Sowohl Golf, als auch Triathlon sind Sportarten, die eine globale Ausrichtung haben. Die Teilnahme an den Wettkämpfen sind folglich mit hohen Kosten verbunden, die Preisgelder hingegen sind im Triathlon eher überschaubar. Es ist kein Geheimnis, das Preisgeld für Deinen fünften Platz beim Ironman 70.3 in Poznan hat Dir stolze 500 US Dollar gebracht, die Du noch versteuern mußt. Zeitgleich hat Lee Westwood beim LIV GOLF Turnier, in Boston, auf einem geteilten 4. Platz (der Viert- und Fünftplazierte waren punktgleich) mehr als eine Million US Dollar erhalten.
Nachgehakt bei Christoph Mattner: Du hast Dir ja am Wochenende sozusagen Deinen zweiten Profi-Scheck abholen können. Wie fühlt es sich an, wenn das Preisgeld nur knapp für die Transportkosten reicht?
Ich habe ja spät angefangen (mit 28) und habe demnach mein Leben grundsätzlich ganz anders aufgestellt, daher bin ich nicht unbedingt darauf angewiesen. Das Preisgeld an sich ist schön und bezahlt die Spritkosten, das Hotel fällt dabei aber nicht mehr ab. Den Sport betreibe ich nicht des Geldes wegen.
Preisgeld fühlt sich immer eher wie ein nettes Beiwerk an, 500 Dollar vor Steuer macht aber in meiner Situation nichts besser.
Nachgehakt bei Heinz Schmidbauer: Du hast selbst lange genug auf der Tour gespielt. Wie viele Golf Profis können tatsächlich von ihren Preisgeldern leben? Verzerren die hohen Antritts- und Preisgelder das Gefüge im aktuellen Profigolf ?
Nun diese Frage der „Bezahlung“ von Profisportlern unterschiedlicher Sportarten wird immer gerne gestellt. Als junger Sportstudent trainierten wir auf der gleichen Anlage, wie die Profis von Bayern München. Wir hätten, was die Trainingsbelastung der Fußballer in jenen Jahren angeht, gerne mit den Fussballern getauscht. Meine Freunde Bulle Roth und Sepp Maier schimpfen mich jetzt sicher. Letztendlich geht es im Sport um die Werbemöglichkeit der Sportart und deren Vermarktung. Es wird nach Einschaltquoten und Sendezeiten gemessen. Man wird beurteilt wie oft war der Sponsor sichtbar in TV und Printmedien und neuerdings in den Sozialen Medien. Hiervon sind die Sportler, egal welcher Sportart, abhängig. Natürlich wird Golf weltweit auf vielen Kanälen stundenlang übertragen, was viel Sendezeit und somit Werbemöglichkeiten bedeutet. Hinzu kommt eine markante Persönlichkeit. Mein alter Freund Nick Bolletieri, der wohl bekannteste Tennistrainer der Welt (Agassi, Sampras und andere) erklärte mir einmal. „You must be markable!“ .
Seit aber die Politik, wie etwa einige Staaten aus dem arabischen Raum, entdeckt hat, dass man mit enormen Summen Veranstaltungen bekommt und damit das Image verbessern kann, explodieren hier die Preise! Man spricht hier mittlerweile allgemein vom ‚Sportwashing‘.
Auf die Frage, ob ich von den Preisgeldern die damals bezahlt wurden einen ruhigen Lebensabend verbringen kann, lautet die Antwort ganz klar: Nein! Insgesamt habe ich fünf Turniere auf drei Kontinenten gewonnen, leider war das Preisgeld damals deutlich geringer im Vergleich zu heute.
Ähnlich, wie bei den Boxern, der Formel 1 und im Tennis stehen auch hinter den Golf Tours und den Ironman Events global agierende mächtige Verbände oder Besitzer, welche Rolle spielen da die einzelnen Profi-Athleten? Werden deren Interessen genügend berücksichtigt?
Christoph Mattner: Das kann ich noch schwer beantworten, da ich erst kurz dabei bin. Aus meinem ersten Eindruck würde ich sagen, dass wir für Ironman als Werbefiguren schon wichtig sind, allerdings muss man sagen, dass es neben dem wenigen Preisgeld nichts weiter an Unterstützung gibt, um es den Profis leichter zu machen nur Sport zu treiben. Das mag bei
Athleten, wie Jan Frodeno vielleicht zurecht anders sein, aber Neuankömmlinge, wie ich, müssen selber zusehen wie man das Abenteuer ‚Profi-Triathlet‘ gestemmt bekommt.
Heinz Schmidbauer: Grundsätzlich sind die Sportler immer das schwächste Glied in der Kette, im Vergleich zu Veranstaltern, Verbänden und Sponsoren. Auch große Superstars, wie etwa Tiger Woods haben dies schon zu spüren bekommen, wenn sie sich einen Fehltritt leisten.
Mit der neuen LIV–Tour versucht Greg Norman nun mit Hilfe der Saudis eine Gegentour zur allmächtigen US PGA Tour aufzugestellen. Es ist im Moment also Krieg zwischen den beiden Touren, der in meinen Augen schädlich für das Image des ganzen Golfsport ist. Beide Touren haben ihre Spieler gegeneinander in Stellung gebracht oder werben sie voneinander ab, bzw. belegen sie mit Startverboten. Grundsätzlich als Profisportler sollte es erlaubt sein, da zu spielen wofür ich qualifiziert bin. Wenn ich also auf der PGA tour qualifiziert bin, ist es in meinen Augen unmöglich dort gesperrt zu werden, weil ich bei der LIV Tour auch mein Geld verdiene. Man wartet gespannt auf die Prozesse. Ich hoffe, dass es zu einer Einigung der beiden Touren kommt und es endlich die Welttour und eine ehrliche Weltrangliste gibt.
Sowohl beim Golf (Pro-Am Turniere), als auch beim Triathlon (eigentlich bei fast allen Wettkämpfe) gibt es Events, bei denen Profis und Amateure gemeinsam an den Start gehen.
In wieweit macht dies in Euren Augen Sinn oder ist sogar Teil des Spirits.
Christoph Mattner: Ich finde es erst einmal total cool mit den Agegroupern zusammen zu starten und ein gemeinsames Erlebnis zu haben. Ich meine andersherum war ich ja bis vor kurzem auf der Agegrouper-Seite und fand es immer total spannend auf die Pros zu schauen und meine Zeiten zu vergleichen.
Stichwort ‚Eigenes Frauenrennen bei der WM in Kona. Bisher starteten Frauen und Männer im gleichen Rennen. Jetzt an zwei verschiedenen Tagen. Ist dies eine sinnvolle Entwicklung eines emanzipierten Rennens oder die Degradierung der Damen ins ‚Vorprogramm am Donnerstag‘?
Christoph Mattner: Zum Frauenrennen in Kona fällt mir ehrlich gesagt nicht viel ein, was dafür spricht. Ich gucke eigentlich alles an Triathlonevents, was es gibt und sicher auch Donnerstagabend den Beginn des Frauen-Rennens. Ich kann mir aber an einem Donnerstag nicht die ganze Nacht um die Ohren schlagen und so geht es ja vielen Berufstätigen. Das Rennen wird also allein als Highlight-Recap stattfinden. Das ist für unsere Damen schon sehr schade.
Wir sollten es als eine WM belassen und wie bisher einen Wettkampftag (Samstag) finden, an dem die besten der Besten starten und es am Ende nicht dazu kommt, dass es nur eine Frage des Geldes wird, wer sich die Teilnahme an der Weltmeisterschaft leisten kann.
Heinz Schmidbauer: Die Frage nach Teilnahme von Amateuren bei Profiturnieren ist so geregelt, dass Profis meist einen Tag vor ihren eigentlichen Turnieren in einem Sonderwettbewerb ‚Pro/Am‘ spielen. Dies kann mit einem Profi und einem Amateur oder drei Amateuren pro Vierer-Flight passieren. Dabei wird das Ergebnis des Profis gezählt und es gibt ein Teamergebnis. Der Profi bekommt Preisgeld, was Amateuren verboten ist. Viele Profis mögen dies nicht, da ein Spiel mit Amateuren für die meisten Profis eher störend ist. Aber die Sponsoren wünschen dies oft, um Ihre Kunden die Möglichkeit zu geben mit Profis zu spielen.
Abschließend noch eine letzte Frage. Eine sehr edle Regel beim Golfen lautet: No Explain, no complain! (Keine Erklärung, keine Beschwerde) damit soll jedem Golfer klar gemacht werden, dass es niemanden anders interessiert, wer ‚schuld war‘ an seinem miesen Score, sondern er letztlich alleine die Verantwortung für seine Performance trägt.
Wie wichtig ist diese Einstellung zur eigenen Leistung generell im Sport ?
Heinz Schmidbauer: Nun dazu ein Wort meines alten Mentors, dem „King des Golfsports“ Arnold Palmer: „Golf keeps you allways small, equal which Level you are playing!“
Er meinte damit, egal, wie gut man meint Golfen zu können, am nächsten Tag kann man unergründlicherweise unterirdisch spielen. Dies gilt für den Amateur, wie für den Superprofi.Im Grunde genommen spielt man immer gegen sich selber und seine eigenen Fehler. Die Regeln in Golf braucht man und muss man kennen, denn durch die Regeln wird Golf erst zu einem Spiel. Beachtet man die Regeln nicht, betrügt man sich quasi selber.Hier liegt auch oft die Crux bei den Amateuren. Aus falsch verstandenen Ehrgeiz verführt es leicht zum Schwindeln, damit ja das Handicap als Statussymbol glänzt.Sogar der Präsident der DGV gab in einem Interview preis, dass hierzulande das Handicap total überbewertet wird und es wenig über die tatsächliche Spielstärke aussagt. Ich kenne kaum eine Sportart, bei der so viele Ausreden über ein mieses Ergebnis erfunden werden, wie im Golf. Letztendlich ist der Spieler verantwortlich für jeden seiner Schläge und niemand sonst. Dies zu akzeptieren ist auch Teil der sogenannten Etikette. Wenn ich eine Runde mit einem Golfer spiele, kann ich sagen, wie der Mensch tickt. Mache nie mit jemand Geschäfte der beim Golf betrügt. Golf ist damit ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.
Christoph Mattner: Ähnliche Ansatzpunkte gibt es ja im Triathlon: Doping und Drafting sind hier Alltagsthemen, nicht nur unter den Profis. Wie sportlich sind ‚Lutscher‘?
Doping ist ein No-Go. Da wäre ich persönlich sogar dafür, dass man hier wirklich nur eine Chance im Leben hat sauber zu bleiben, weil dies für mich einer der wichtigsten Punkte im sportlichen Wettstreit ist : „Fairness untereinander.“
Das Thema Drafting ist da nicht ganz so einfach, weil es direkt in der Rennsituation geschieht. Wer absichtlich dauerhaft im Windschatten fährt, der sollte entsprechend bestraf werden. Das ist klar. Man sieht aber auch Wettkämpfe, in denen 20 Leute in Reihe fahren. Hier ist es manchmal gar nicht so einfach, weil ein kleiner Bremser des Vordermanns reichen kann, dass man kurz in die 12-Meter-Zone kommt. Abhilfe wäre hier generell eine 20-Meter-Windschattenzone, um den Effekt zu vermindern oder technische Unterstützung (die es ja bereits gibt), mit der man mit einem Rücklicht visuell darstellen kann, ob jemand zu lange in der verbotenen Zone unterwegs ist.Was für mich verblüffend ist, dass wir mittlerweile ja sehr viele Live-Bilder und Videos zu sehen bekommen und trotzdem einige der Pros fünf Meter hinter dem Vordermann ‚kleben‘. Das ist dann schon ignorant in meinen Augen.
Vielen Dank an Heinz Schmidbauer und Christoph Mattner für die persönlichen Einblicke in zwei spannende Welten des Sport-Universums.
Das Interview führte Chris Ernst (Montefuego Sport Media, Lanzarote)