Erstmal einen Überblick verschaffen. Dafür eignet sich kein Fleck so gut wie der Vorplatz der Burg am Ende des mittelalterlichen Borgos im Herzen der toskanischen Weinlande. Die Perlenkette der 16 bestens restaurierten Dorfhäuser im Rücken geht der Blick über einen Großteil der 27 Spielbahnen im Tal und auf die gegenüberliegenden Hügel. Bewohnt ist der imposante Burgberg seit rund 2.500 Jahren, aber beinahe wäre das Dorf in den 1950er und 60er Jahren gestorben. In den Zeiten der Landflucht entvölkerte sich der Borgo fast vollständig. Zeitweilig lebte nur noch eine Handvoll Menschen hier oben. In den 1980er Jahren begann eine von Pannen und Insolvenzen begleitete Wiedergeburt des architektonischen Juwels. Als die TUI AG es 2007 erwarb, um es laut der Wochenzeitung „Die Zeit“ von damals zum größten Tourismusprojekt der Unternehmensgeschichte zu machen, war es ein Geisterdorf. Nur ein 18-Loch-Golfplatz war schon da, der angeblich schwierigste Italiens, wie es hieß.
Vieles hat sich seitdem getan. Der Platz ist auf 27 Loch gewachsen, die alte Tabakfabrik wurde zu einem kleinen Luxushotel mit 31 Zimmern und gleich gegenüber entstand das noch luxuriösere Haupthaus mit Panoramaterrassen Richtung Sonnenuntergang über der toskanischen Bilderbuchlandschaft. Die Coronazeit beendete das Engagement der Deutschen und jüngst ist ein 71-jähriger Großinvestor aus Indien eingestiegen. Mit noch ehrgeizigeren Plänen. Gerade erst ist der neue Spa samt Infinity-Pool fertig geworden, designed von einem französischen Büro, das schon das legendäre Hôtel de Crillon an der Pariser Place de la Concorde auf den aktuellsten Stand der Hotelästhetik gebracht hat.
Den neuen Schub spürt man auch rund um die uralte Burgterrasse. Gegenüber reckt sich ein Baukran in die Höhe; der indische Investor lässt sich dort eine riesige Villa bauen. Ein Trupp Bühnenarbeiter verlegt einen stabilen Partyboden, denn hier wollen es die stolzen Besitzer von 50 mehr oder weniger alten Ferraris demnächst zum Tagesausklang krachen lassen. Die Factory-Tour der Official Ferrari Dealer hat das gesamte Resort exklusiv gemietet. Ab übermorgen.
Noch genug Zeit also, um den Platz auszuprobieren. Vom Borgo aus führt ein zypressenbeschatteter Fußweg hinunter zum Golfplatz. Wer sein eigenes Equipment mitbringt, ist mit dem hoteleigenen Shuttlebus besser bedient. So oder so landet man bei Francisco Vega Pando, der über einen stattlichen Buggy-Fuhrpark gebietet und gerade zum besten Caddie Master Italiens gekürt worden ist. Die Mehrzahl der Spieler hier zieht es vor, zu fahren – nicht nur im Hochsommer (56 Euro für 18 Loch). Anders als bei einem vorherigen Besuch bekommt jeder Buggyfahrer von Francisco auch noch eine Flasche Wasser und auf Wunsch eine Lage Eis für die kleine Bord-Kühlbox mit auf den Weg.
Castelfalfi lässt sich beliebig spielen – alle drei Neunloch-Courses enden am Clubhaus. Empfehlenswert ist eine Mischung aus Mountain- und Lake-Course, denn die Platzcharakteristiken unterscheiden sich deutlich. Beide Berganlagen beginnen ähnlich – mit einem nach links geschwungenen bergan laufenden Par 4 knapp über 300 Meter (Längenangaben jeweils ab Gelb). Die 2 des A-Courses geht über eine Anhöhe, hinter der sich ein schönes Wasserhindernis schützend vor das erhöhte Grün legt. Hier ein Par oder gar Birdie zu spielen, beschert ein dickes Erfolgserlebnis. An der 3 (350 Meter) gefällt die elegante Länge des sich verjüngenden Fairways und die sich rund 70 Meter vor der Fahne aufbauende Trauerweide. Die 4 (134 Meter) erfordert wegen dreier Grünbunker links und dem großen Wasserhindernis rechts golferische Präzision. Längste Bahn ist die 5 mit 567 Metern. Ein scharfes Dogleg mit zwei getrennten Fairways. Gar nicht so leicht, hier in die Nähe eines Par zu kommen. Die 6 läuft wieder bergauf entlang einer endlosen Baumreihe aus Zypressen und weiter oben kleinen Pinien und noch kleineren Ölbäumen rund um das schmale Grün. In Traumlage thront eine quadratische Villa mit üppiger Terrasse über dieser toskanischen Bilderbuchbahn. Aber auch der einfache Golfer kommt oben angekommen in den Genuss eines herrlichen Panoramablicks auf bläulich schimmernde Hügelketten. An der 7 geht es wieder abwärts mit einem herausfordernden Par 5. Die 8 überrascht mit einer Baumgruppe mitten auf dem ansteigenden Fairway. Obwohl nur 338 Meter lang ist – jugendlicher Ehrgeiz vorausgesetzt – ein Blind Shot aufs Grün unumgänglich.
An der 9 wartet der mit Abstand größte Wow-Effekt von Castelfalfi. Wegen des Blicks auf den gegenüber liegenden Burgberg und die Anlage zu seinen Füßen, aber vor allem wegen der golferischen Herausforderung: ein inselhaftes Grün, doppelt bunkerbewehrt und knapp 50 Meter unter dem Abschlag. Vorlegen ginge, aber freiwillig macht das kaum jemand. Zahlreiche Ballleichen in den beiden Teichen hinter dem Grün sprechen für sich. Auch die (leider) vielen Blesshühner in Nähe der Fahne wirken recht entspannt und haben offenbar nur selten Kontakt mit einschlagenden Golfbällen. Wer den Mountain Course komplett spielt, erlebt an der 18 noch einmal eine Variation der spektakulären Topographie. Diesmal an einem Par 4 (378 Meter) mit scharfem Knick nach rechts. Um das scheinbar winzige Inselgrün angreifen zu können, muss man erst einmal behutsam Richtung Scheitelpunkt vorlegen. Von dort tut sich dann der von der 9 bekannte Höhenblick auf. Jetzt nur nicht den Fehler machen und das ganz ähnlich aussehende Nachbargrün angreifen!
Auf der schönen Terrasse des Country Clubhouse treffe ich Manola Alberti, seit zehn Jahren die Managerin des Clubs. Auch sie genießt Auftrieb durch den neuen Investor, obwohl der selbst gar kein Golfer ist. Besonders stolz ist Manola auf das neue Bermuda-Gras auf den Fairways der Back Nine des Mountain Courses. Demnächst soll die robuste Sorte auch auf den übrigen Bahnen sprießen. Aus Gründen der Nachhaltigkeit und der Wasserersparnis – die liege jetzt schon bei 60 Prozent. Weitere neun Löcher sollen den Lake Course bald komplett machen, manche Fairways haben endlich eine neue Bewässerung bekommen und das Greenkeeping habe auch einen Qualitätsschub bekommen. Das, so erzählt sie, sei outgesourced an eine Spezialfirma unter der Leitung eines Deutschen.
Der Club hat 260 Mitglieder plus 30 Kinder, die sich verstärkter Nachwuchsförderung erfreuen. Die nationale Zusammensetzung der vielen Greenfeespieler und Hotelgäste habe sich seit den TUI-Zeiten stark verändert: „Wir haben jetzt viel mehr Amerikaner hier. Die lieben die Toskana einfach wie kaum eine zweite Nation.“ Um speziell deren Bedürfnisse besser kennenzulernen, ist die Managerin regelmäßig auf Business Trips Richtung USA und Bahamas. Damit hängt es wohl auch zusammen, dass sie jetzt noch mehr Service anbieten will: kühlende Handtücher in den Buggies, Bag-Aufbewahrung und eine große Auswahl an jeweils aktueller Leihausrüstung. Beim Greenfee liegt man übrigens mit 125 Euro für 18 Loch in der Hochsaison derzeit im italienischen Rahmen.
Die Neuausrichtung spürt der Gast auch im 115 Zimmer großen Haupthaus des Hotels. Es dringen viel mehr amerikanische Laute ans Ohr als früher, eine freundliche Drei-Generationen-Familie aus Indien ist schon seit Tagen da, der Mittlere Osten ist neuerdings vertreten und die Speisekarte des Hauptrestaurants Olivina wurde durch eine fernöstliche Sparte ergänzt.
Vom neuen Hoteldirektor Roberto Protezione erfahre ich mehr über die Neuausrichtung. In die historischen Gebäude des Dorfes sollen mehr und mehr Luxusgeschäfte einziehen. Und erstmals soll die Saison über den Jahreswechsel hinaus verlängert werden. Daher auch der neue Spa, der in Partnerschaft mit dem Marktführer im Luxussegment RAKxa betrieben wird. Aktuell werden die lokalen Mitarbeiter durch thailändische Fachkräfte eingängig geschult.
Und wo soll Castelfalfi stehen, wenn alle Vorhaben abgearbeitet sind? Roberto: „Castelfalfi wird ein Referenzpunkt in Sachen Luxus auf jedem Feld von Gastfreundlichkeit, über Wellness, kulinarische Erlebnisse bis hin zu den Golfplätzen, die jetzt schon Spieler vor allem aus den USA und Großbritannien anziehen.“ Er selbst spielt nicht Golf, aber: „Never say never.“
Località Castelfalfi, 50050 Montaione, Firenze, Italia
Tel. +390571892000
Email: info@castelfalfi.com