Bandscheibenvorfälle gehören zu den typischen Zivilisationskrankheiten als Folge von zu wenig Bewegung, schwacher Muskulatur und falscher Belastung bei körperlichen Anstrengungen. Jeder 20. gesetzlich Versicherte bekommt heutzutage diese Diagnose. Die Bandscheiben sorgen zusammen mit den Wirbelgelenken für die Beweglichkeit und Stabilität der Wirbelsäule. Bei einem Bandscheibenvorfall treibt Druck auf die Bandscheibe den weichen Gallertkern gegen den Bindegewebsring und bringt ihn zum Reißen. Der Gallertkern tritt aus und presst gegen die dahinterliegenden Nerven. Gleichzeitig geht die Stoßdämpferfunktion der Bandscheibe verloren. „Jeder Mensch hat 23 Bandscheiben. Am anfälligsten für Bandscheibenvorfälle ist die Lendenwirbelsäule, da an dieser Stelle der größte Druck auf den Wirbeln lastet“, sagt Frank Grunwald, Gesundheitsexperte beim Deutschen Ring Krankenversicherungsverein. „Betroffen sind vor allem Menschen ab 30 Jahren, die viel im Sitzen arbeiten und keinen sportlichen Ausgleich finden“, so Grunwald weiter.
Schmerzen richtig einordnen
Um die richtigen Sofortmaßnahmen ergreifen zu können, ist die richtige Einschätzung der Symptome von großer Wichtigkeit. Akute Bandscheibenvorfälle rufen immer Schmerzen hervor, die je nach Symptom auf unterschiedliche Ursachen hindeuten. In Arme und Beine ausstrahlender Schmerz, der oftmals mit Gefühlsstörungen wie Kribbeln oder Ameisenlaufen einhergeht, zeigt erhöhten Druck auf die Nervenwurzeln an. Bis zur Diagnose durch einen Arzt können die betroffenen Gliedmaßen in Ruhestellung mit Wärmekompressen behandelt werden.
Deutlich gefährlicher sind Beschwerden wie Taubheit oder Funktionsstörungen, die sich im Anal- und Genitalbereich bemerkbar machen. Diese Symptome gelten als Notfall, da der Gallertkern der Bandscheibe auf das Rückenmark drückt. Kontrollverluste über die Ausscheidungsorgane deuten auf das Cauda-equina-Syndrom hin. Es bezeichnet die Quetschung der aus dem Wirbelkanal austretenden Spinalnerven am so genannten Pferdeschweif. Dies erfordert einen sofortigen neurochirurgischen Eingriff. Anderenfalls drohen dauerhafte Nervenschäden.
Letzter Ausweg OP?
Glücklicherweise erfordern die wenigsten Bandscheibenvorfälle tatsächlich eine Operation, da schwerwiegende Krankheitsbilder eher selten auftreten. In neun von zehn Fällen liefert eine konservative Behandlung die besten Ergebnisse. Zudem entwickeln Patienten mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent auch nach einer erfolgreich verlaufenden Operation erneut Rückenschmerzen, da die Degeneration des Gewebes fortschreitet. Jede zehnte OP zieht im Laufe der Jahre einen weiteren Eingriff nach sich.
Dauerhaft Abhilfe schafft nur die biologische Wiederherstellung des Gewebes. Möglich macht dies die Autologe Bandscheibenzelltransplantation (ADCT). Dafür entnimmt der Arzt dem Patienten eine Blutprobe und Bandscheibengewebe, um im Labor die körpereigenen Zellen zu vermehren. Nach zwölf Wochen etwa können die neuen Gallertzellen in die betroffene Bandscheibe injiziert werden und dort ihre Funktion wieder aufnehmen. Eine EuroDisc Studie mit einer Laufzeit von vier Jahren belegt den Erfolg dieser Methode und stellt die vollständige Heilung in Aussicht.
Tipps zur Vorbeugung und Behandlung
Trotz guter Heilungschancen lohnt es sich, Bandscheibenvorfällen aktiv entgegenzuwirken. Studien zeigen, dass diese bei einem Drittel der 30-Jährigen und rund zwei Dritteln der Generation 50 Plus beschwerdefrei auftreten können und deshalb gar nicht entdeckt werden. Viel Bewegung und eine gesunde Muskulatur verhindern daher auch in diesen Fällen plötzliche Schmerzleiden. Bestens geeignet sind Sportarten, wie Schwimmen oder Radfahren. Diese schonen gleichzeitig die Gelenke. Einige Entspannungstechniken wie Yoga oder Tai Chi tragen ebenfalls zu einer guten Körperhaltung bei und stärken dadurch Rumpf und Rücken.
Betroffene, die einen Bandscheibenvorfall kurieren, sollten ihre sportlichen Aktivitäten indes unbedingt mit ihrem Arzt besprechen. „Fehlbelastungen durch falsche Bewegungsabläufe provozieren das Wiederauftreten eines Vorfalls an derselben Stelle“, warnt Grunwald. Der Experte rät zur Physiotherapie und anschließendem Muskeltraining in einer Rückenschule. „Dies beugt zusätzlich der Ausprägung einer Schonhaltung vor, die sich Patienten meistens aus Angst vor neuen Schmerzen angewöhnen.“