Erich Honecker soll den Golfsport einst als „bourgeoisen Blödsinn“ beschrieben haben. Doch einige DDR-Bürger, wie Bernd Rudolph, hielt das nicht davon ab, trotz vieler Widrigkeiten den Schläger zu schwingen.
Heute ist er Pressebeauftragter des Golfclubs Dresden-Elbflorenz und Übungsleiter Golfsport des Dresdner Sportclubs 1898: Bernd Rudolph (71) sieht man es nicht an, aber er ist der Pionier des Golfsports in der DDR. Mit einer Urlaubsreise in die damalige Tschechoslowakei 1976 fing alles an. Schnell entwickelte sich seine Leidenschaft für den Golfsport zu seiner Lebensaufgabe.
Die Entwicklung des Golfsports in der sowjetischen Besatzungszone
Nahezu alle Golfplätze in der sowjetischen Besatzungszone mussten der landwirtschaftlichen Nutzung weichen. Während es im Jahre 1949 noch 14 Golfplätze im Osten Deutschlands gab, existierte nach dem Fall der Mauer im Jahre 1989 kein einziger Golfplatz mehr, daher gab es auch nur sehr wenige Golfspieler. Einer der Hauptgründe gegen Golf in der DDR waren ideologische Gedanken. Golf war ein Beispiel für den westlichen Kapitalismus, den die Regierung der DDR strikt ablehnte. Zudem war Sport in der DDR eng mit der Politik verbunden. Es durften nur jene Sportarten ausgeübt werden, die mit dem politischen Gedanken übereinstimmten, um die Nation bei internationalen Wettkämpfen, wie den olympischen Spielen, zu vertreten. Da Golf jedoch in der Zeit der DDR nicht als olympische Sportart vertreten war, hatte Golf auch keinen Nutzen für die damalige kommunistische Regierung.
Ein weiterer Grund, warum Golfsport in der DDR kaum eine Rolle spielte, war der finanzielle Faktor. Viele Golfplätze wurden durch den Krieg zerstört, und die wenigen noch vorhandenen Plätze wurden nach dem Krieg als Ackerland genutzt. Der finanziell schwache Staat hatte also keinerlei Mittel zur Verfügung, um neue Golfplätze erbauen zu lassen. Diese Situation war auch anhand von Sportarten wie Tennis oder Segeln in der DDR zu erkennen, für deren Verbreitung auch nicht ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung standen. Schnell bekamen diese Sportarten, insbesondere das Golfspiel, daher einen elitären und stark kommerziellen Charakter, weil der Sport der Masse der Bevölkerung vorenthalten blieb und zum Luxus wurde.
Interview über den Golfsport in der DDR
Marco Paeke: Für das Politbüro der SED um Erich Honecker dürfte ein „Elitensport“ wie Golf wohl eher weniger ins sozialistische Weltbild gepasst haben. Umso schwerer ist der Zugang zu dem Sport gewesen. Wie kamen Sie trotzdem auf die Idee?
Bernd Rudolph: Da kann ich mich genau dran erinnern. 1976 habe ich mit meiner ersten Frau im damals tschechoslowakischen Marienbad Urlaub gemacht. Dort gab es einen der wenigen Golfplätze im Ostblock. Aus purer Neugier habe ich mir einen Satz Schläger geliehen und meine ersten Bälle
geschlagen – und mir über die politische Dimension keine Gedanken gemacht.
Paeke: In der DDR herrschte Mangelwirtschaft und an eine Golfplatz-Infrastruktur wurde bestimmt zuletzt gedacht. Ihnen musste klar gewesen sein, dass Sie nicht die optimalsten Bedingungen zum Golf spielen vorfinden würden…
Rudolph: Es gab überhaupt keine Spielbasis. Sämtliche Golfplätze wurden 1951 komplett dem Erdboden gleich gemacht. Der letzte existierte im thüringischen Oberhof. Der fiel dann aber auch den sozialistischen Abbaumaßnahmen zum Opfer. Zunächst hatte ich nur die Möglichkeit, im Urlaub und an den Wochenenden in die Tschechoslowakei zu reisen, um dort zu spielen. Golfplätze wurden dort zum Zwecke der touristischen Attraktivität erhalten.
Paeke: Nicht die einfachsten Bedingungen, um sein Spiel zu verbessern. Zunächst braucht jeder Golf-Anfänger auch professionelle Anleitung durch einen Trainer. Wie haben Sie sich beholfen? Gab es so etwas wie ein Handicap oder eine Platzreife?
Rudolph: Ich habe mich mit guten Golfern des Clubs in Marienbad zusammengetan, die dann für mich als Golflehrer fungierten. Doch ein Handicap oder Prüfungen zur Platzreife kannten auch die Tschechoslowaken nicht. Wenn man einigermaßen den Ball getroffen hat, dann wurde die Freigabe für den Platz einfach mündlich erteilt.
Paeke: Neben dem Know-how spielt auch die richtige Ausstattung eine essentielle Rolle. Wie sind Sie an brauchbares Golf-Equipment gekommen?
Rudolph: Auch das verdanke ich meinen tschechoslowakischen Golffreunden. Die bezogen ihr Equipment von westlichen Touristen aus der Bundesrepublik oder Österreich. Was nicht mehr gebraucht wurde, haben sie dann an mich gegen kleines Geld weitergereicht. Wenn Schläger besonders verschlissen waren, haben die Kollegen aus dem Nachbarland sie mir sogar geschenkt. Für andere Golfer, wie Renate Graf aus Dresden, erschloss sich eine Bezugsquelle über Verwandte in den USA. Die schickten Schläger in als Sportartikel deklarierten Paketen völlig problemlos zu.
Paeke: Jeder Golfer kennt ja das Problem, dass Bälle häufiger abhanden kommen. Im Westen kaufte man sich einfach einen neuen Satz. Die Golf-Shop-Dichte dürfte in der DDR relativ gering gewesen sein. Wie haben Sie in diesen Situationen improvisiert?
Rudolph: Neben Schlägern waren natürlich auch Golfbälle Mangelware, die deshalb nicht verloren gehen durften. Mit Hilfe einer Schraube haben wir Federn oder einen Faden eingedreht, sodass die Bälle immer wieder eingeholt werden konnten. Um überhaupt an welche heranzukommen, musste ich, wie so oft, in Marienbad um Gebrauchte bitten. Übrigens, um meinen Abschlag zu trainieren, habe ich einen alten Teppich am Garagentor befestigt, der meine Bälle abfing.
Paeke: Um ernsthaft Golf zu spielen, bedarf es regelmäßiger Trainingseinheiten auf einem adäquaten Golfplatz. Auf einen Teppich einzudreschen und gelegentlich Odysseen in die Tschechoslowakei zu unternehmen, dürfte Ihnen doch bald nicht mehr gereicht haben…
Rudolph: Nach zehn Jahren Training in der Tschechoslowakei wollte ich in den Wettkampfbetrieb einsteigen. Während meiner Stationierung als Offizier in Strausberg bei Berlin war ich auch Mitglied der Armeesportgemeinschaft und konnte deren Sportanlagen nutzen. Zunächst habe ich auf einem Fußballplatz abgeschlagen, doch der Rasen war viel zu hochgewachsen. Auf einem nahegelegenen Bogenschützengelände habe ich dann, dank einer kurz geschorenen Grasnarbe, einigermaßen annehmbare Bedingungen vorgefunden. Ich konnte jedoch lediglich mit einem 9er Eisen abschlagen, da der Platz gerade mal eine Länge von 100 Metern hatte.
Paeke: Sie gelten als Pionier des DDR-Golfsports. Wie sind Sie denn genau zu diesem Titel gekommen?
Rudolph: Nach vielen einsamen Trainingseinheiten habe ich mich 1987 mit wenigen anderen Golfspielern der DDR in Marienbad getroffen. Wir haben beraten, wie wir einen Golfverein in der DDR etablieren könnten. Als Offizier hatte ich ein paar Kontakte. Nach meiner Kommandierung an das Armeemuseum Dresden 1988 bin ich zum Vorstand des Deutschen Turn- und Sportbundes in Dresden gegangen und habe unser Anliegen vorgetragen. Der bürokratische Prozess und die Anfertigung einer Liste aller Golfspieler der DDR dauerte fast zwei Jahre. Wir haben am 28. Oktober 1989, keine zwei Wochen vor dem Mauerfall, die erste allgemeine Sportgruppe für Golf der DDR gegründet.
Paeke: Dann haben sich die Ereignisse überschlagen und die politische Neuordnung hat bei der DDR Bevölkerung für viel Unsicherheit gesorgt. Nun sollte es aber noch ein Jahr bis zur Deutschen Einheit dauern. Wie ging es für Sie und Ihre Sportgruppe Golf weiter?
Rudolph: Wir hatten zunächst angenommen, dass die DDR unter anderen politischen Bedingungen weiter existiert. Also haben wir im April 1990 den ersten international anerkannten Golfverband der DDR gegründet. Prompt wurden wir zu den internationalen Vierer-
Paeke: Das Ost-West-Gefälle in Sachen Golf ist 25 Jahre nach Mauerfall leider noch spürbar. 51.000 Golfer auf 60 Plätzen im Osten stehen 587.000 Golfern auf 664 Plätzen im Westen gegenüber. Wir müssen umso mehr Überzeugungsarbeit für den Sport in den neuen Ländern leisten…
Rudolph: In der Tat, 40 Jahre Golf-Abstinenz und die sozialistische Doktrin vom Elitensport haben ihre Spuren hinterlassen. Aber das ist nur eine Teilwahrheit. Eine Sache ist nur so lange die Sache der anderen, bis man sie sich selbst aneignet. Das führt dann auch die Aussage, Golf sei ein Sport der Reichen, ad absurdum.
1 Kommentar
Interessant, wie diese Auffassung von Elitensport auch in mir noch nachwirkt. Und mich befremdet es, wenn Menschen nicht diesen Sport machen, weil es ihnen Freude bereitet, sondern weil sie glauben, damit zu einer Elite zu gehören. Das ist glaube ich sowohl im Osten wie im Westen gleich.