Ein Blick hinter die Kulissen einer Werbeagentur.
Von Roland Hanewald
Das Büro der Werbeagentur Treu & Tüchtig. Ein Mitarbeiter und eine Mitarbeiterin sitzen gelangweilt an einem runden Tisch und malen Kringel. Die Tür springt auf. Herein stürzt Herr Treu, der Chef. Er brüllt begeistert:
Chef: „Leute, alles stehen- und liegenlassen! Wir haben das Strahlemann-Account gekriegt!“
Mitarbeiterin: „Die Golffritzen?“
Chef: „Jawoll, selbige! Einer der größten Hersteller. Als erstes brauchen wir jetzt ‘nen zündenden Slogan. Also – gleich mal ran! Ein bisschen Brainstorming! Bewegung, Herrschaften!“
Mitarbeiter (gähnt): „Was stellen die denn überhaupt her?“
Chef: „Die ganze Palette. Golfcarts, Bags, Bälle, Schläger…“
Mitarbeiter: „Schläger?“ (Blickt angestrengt drein) „Wie wär’s, wenn wir den Klitschko anheuern? Dem drücken wir so ‘nen Apparillo in die Faust, und daneben steht: 2 x Schläger, 2 x Gewinner.“
Chef (zögernd): „Im Prinzip gar nicht schlecht.“ (Schüttelt den Kopf) „Aber den Typ können wir uns nicht leisten. Außerdem hat er die WM mal verloren. Klatsch! Klitsch, k.o.! So stand‘s in der Bild.“
Mitarbeiterin (maliziös): „Nehmen Sie doch ihn.“ (Zeigt auf ihren Kollegen) „Mit so ‘nem kleinen Ding in der Hand – wie heißen die noch gleich?“
Chef: „Tee. Englisch ausgesprochen: tih.“
Mitarbeiterin: „Ja, genau. Und daneben: 2 x …“
Mitarbeiter (giftig): „Dummes Huhn!“
Chef (winkt ab): „Leute, nun bleibt mal bei der Sache.“
Mitarbeiter: „Wie wär’s mit dem Kahn? Der hält doch jeden Ball.“
Chef (sauer): „Wir reden von Golf, Sie Flachzange! Der Olli ist Fußballer!“
Mitarbeiter: „Oh.“
Mitarbeiterin: „Sind nicht ‘ne Menge Afros Golfspezis? Tiger Woods zum Beispiel. Vielleicht sollten wir Internationalität reinbringen. Macht sich doch immer gut.“
Chef: „Ja? Und?“
Mitarbeiterin: „Auch Neger schwingen unsere Schläger…“
Chef: „Sind Sie verrückt? Schon mal was von political correctness gehört? Das sagt man doch nicht mehr!“
Mitarbeiterin: „Nein? Dann eben Weiße.“
Mitarbeiter (maliziös): „Da hätte ich auch schon das richtige Reimwort.“ (Zeigt auf die Kollegin) „Eigentlich für alles von ihr.“
Chef (gereizt): „Von euch allen beiden. Wir können unser Account in den Schornstein schreiben, wenn ihr weiter nur so ‘nen Stuss fabriziert!“ (Besinnt sich) „Überhaupt muss eher das Konzept als das Produkt gepuscht werden. ‚Das schönste Abenteuer‘ oder so ähnlich.“
Mitarbeiterin (maliziös): „Und dann zieht ‘ne Pinselkolonne von der Konkurrenz los und macht ,das schönste, aber teuer‘ daraus.“
Chef: „Quatsch mit Soße.“ (Seufzt) „Stimmt aber, leider.“
Schweigen. Alles denkt nach.
Mitarbeiter: „Wie wär’s mit ‘nem witzigen Verdreher?“
Chef (nervös): „Zum Beispiel?“
Mitarbeiter: „Mir fällt gerade keiner ein. Mal sehen: Golfsport, Spolfgort… Nee, klingt irgendwie blöd.“
Chef (stöhnt): „Hier geht’s um ‘nen Haufen Kohle, und der kommt mir mit Spolfgort.“
Mitarbeiterin: „Hi, hi, Spolfgort!“
Mitarbeiter (giftig): „Halt die Klappe!“ (Überlegt) „Könnte man nicht auf was Klassisches zurückgreifen? Hesse. Steppengolf.“
Mitarbeiterin: „Warum nicht gleich Deppengolf?“
Mitarbeiter (noch giftiger): „Sehr komisch. Har, har.“
Chef (wütend): „Lassen Sie das alberne Gelächter! Macht euch lieber mal an die visuelle Umsetzung. Grünes Ambiente… nee, das ist viel zu lasch. Das muss knallen. Gelb. Knattergelb. Golf, gelb… Noch was mit G, los, los!“
Mitarbeiter: „Gregor Gysi.“
Chef (rauft sich das Haar): „Nichts Rotes! Was Gelbes!“
Mitarbeiter: „Ginster!“
„Der Ginster muss knattergelb auf den Betrachter einstürmen!“, Foto: Hanewald
Chef: „Ginster? Na ja, klingt rustikal. Natur pur. Im Ansatz brauchbar. Nur – das Kraut muss auf den Betrachter einstürmen. Er muss das Zeug förmlich riechen!“ (Überlegt) „Aber auf Englisch. Heutzutage muss alles englisch sein, sonst kauft es keiner. Schlagen Sie doch mal nach, was Ginster auf Englisch heißt.“
Mitarbeiter (blättert im Wörterbuch): „Furze.“
Chef: „Häh?“
Mitarbeiter: „F-u-r-z-e.“
Chef (ernüchtert): „Forget it.“
Mitarbeiterin (wiehernd): „Voll geil.“
Chef (rotgesichtig): „Hören Sie doch auf mit dieser Kindersprache!“ (Stutzt) „Moment, was haben Sie da gesagt?“
Mitarbeiterin: „Voll geil.“
Chef (brüllt enthusiastisch): „Jawoll! Das isses! Golf ist geil!“ (Malt in der Luft herum) „Ich seh’s schon mit Riesenlettern quer übers Brandenburger Tor gepinnt: GOLF IST GEIL!“
Mitarbeiterin (kokett): „Gibt’s jetzt ‘nen Bonus?“
Chef: „Nein. Geiz ist auch geil.“
Mitarbeiterin: „Pah!“
Chef: „Selbst pah. Kaum tut ihr mal euren Job, verlangt ihr gleich Extraknete.“ (Pausiert) „Moment, ich hab‘ doch was für euch. Incentives. Von Strahlemann.“ (Kramt in einer Schublade, zieht zwei riesige gelbe Basecaps hervor und stülpt sie den beiden auf, die bis über die Ohren darin verschwinden). „Und? Wie fühlt ihr euch jetzt?“
Beide (dumpf unter den Kappen hervor): „Geil, Herr Treu!“
Chef: „Na, wer sagt’s denn.“