Fast jeder Golfer war schon mal in dieser Situation: Mitten auf der Runde zieht sich der Himmel zu, die Wolken werden dichter und ein Gewitter zieht auf. Gewitter sind gefährlich – laut Berechnungen stirbt in den USA im Schnitt jeden Tag eine Person durch einen Blitzschlag auf dem Golfplatz. Doch wie verhält man sich richtig, wenn man von einem Gewitter auf dem Golfplatz überrascht wird? Wir haben Matthias Habel, Meteorologe bei WetterOnline, zu dem Thema befragt:
Was ist dran am Golfer-Mythos: „Bei Gewitter hilft ein Eisen 1“?
Unter Golfern kursiert das geflügelte Wort des Profigolfers Lee Trevino: „Wenn es auf dem Golfplatz anfängt zu gewittern, halte ich mein Eisen 1 in die Höhe, denn nicht einmal der liebe Gott trifft das Eisen 1.“
Das 1er Eisen ist einer der längsten Golfschläger und so schwer zu spielen, dass sogar Profigolfer an ihm scheitern. Demzufolge soll nicht einmal ein Blitz in der Lage sein, diesen Schläger zu treffen. Doch hilft die Wahl des Golfschlägers nun tatsächlich bei Gewitter? Nein, ganz klar ist es keine gute Idee, bei einem Gewitter auf dem Golfplatz einen langen Eisenstab in den Himmel zu recken. Im Gegenteil: dies könnte sogar schnell tödlich enden! Die einzige Sicherheit ist, das Golfspiel bei einem aufziehenden Gewitter sofort zu beenden, die Schläger möglichst weit von sich entfernt auf dem Platz zurückzulassen und in einer Hütte Schutz zu suchen.
Gibt es eine Faustregel, um ein aufziehendes Gewitter frühzeitig zu erkennen?
Generell sollten vor Beginn des Spiels die Wetterprognosen berücksichtigt werden. Nach einem Blick auf eine Wetter-App, wie zum Beispiel auf das WetterRadar, ist schnell klar, ob ein Gewitter heraufzieht. Auf dem Platz selbst hilft zuallererst der Blick in den Himmel. Türmen sich mächtige Quellwolken in der Ferne auf, sollte man das Grün alsbald verlassen. Wenn bereits das erste Donnergrummeln zu hören ist, befindet sich das Gewitter weniger als 20 km entfernt. Liegen zwischen Blitz und Donner 6 Sekunden, so weiß man, dass der Blitz etwa 2 km entfernt aufgetreten ist. Höchste Zeit also, sich in Sicherheit zu bringen.
Warnapps sind hilfreich
„Das große Gewitterunglück mit über 40 Verletzten bei der Vatertagsfeier in Mecklenburg-Vorpommern am vergangenen Donnerstag hätte verhindert werden können“, sagt Prof. Hans-Dieter Betz. Er ist Gewittermess-Experte bei der Münchener Firma nowcast GmbH. Nowcast misst seit über zehn Jahren Gewitterdaten in ganz Europa, wertet diese per „Cell Tracking“ aus und ermöglicht so mit einer Stunde Vorlauf, die Bewegung und Stärke von Gewitterzellen auf 100 Meter präzise zu benennen („nowcasting“). Solche lebensrettenden Gewitterverlaufsdaten standen jahrelang nur Wetterdiensten, dem Militär und anderen Business-Kunden zur Verfügung. Über Apps sind diese jetzt einfacher zugänglich. Wichtig sei vor allem, so Prof. Betz, dass sich Freizeitsportler zukünftig besser vorbereiten und mehr Verantwortungsbewusstsein entwickeln.
„Gewitterverläufe lassen sich heute dank unserer innovativen Messverfahren zuverlässig messen. Anstatt die Menschen dem Zufall oder Schicksal auszusetzen, warnt unsere App rechtzeitig vor Blitzeinschlag und kann damit ein echter Lebensretter sein.
Ein plötzlicher Gewittereinbruch auf dem Golfplatz — wie reagiert man am besten?
Um sicher vor Gewittern zu sein, beachte folgende Sicherheitsmaßnahmen:
- Vermeide metallische Gegenstände wie Golfschläger, Golfbags und Trolleys und halte einen Mindestabstand von 3 Metern ein.
- Meide erhöhte Objekte und suche keine Zuflucht unter Bäumen, einschließlich Buchen. Ein sicherer Mindestabstand beträgt 10 Meter. Schutz können Golfer auch in tiefen Bunkern finden. Auf keinen Fall sollten sie Hügel oder erhöhte Abschläge aufsuchen. Auch der Wald oder gar ein Unterschlupf unter einem einzelnen Baum sind tabu, hier herrscht ein großes Risiko, von einem Blitz getroffen zu werden.
- Ist es bereits zu spät, um eine Schutzhütte zu erreichen, sollten Golfer sich im offenen, flachen Gelände so klein wie möglich zusammenkauern, Arme und Beine eng an den Körper anlegen und möglichst weit von der Fahne und den Schlägern entfernt sein. Es ist empfehlenswert, eine natürliche Vertiefung zu suchen und dort in die Hocke zu gehen. Stelle deine Füße eng zusammen, die Fersen sollten nicht den Boden berühren, und lege deinen Kopf zwischen deine verschränkten Arme. Diese Schutzhaltung wird als Gewitter-Schutzhaltung bezeichnet.
- Vermeide Gruppenbildung und halte einen großzügigen Abstand zur nächsten Person ein, um das Risiko zu minimieren.
Gewitter-Warnsystem auf Golfanlagen
In Deutschland verfügen nicht viele Golfanlagen über ein Warnsystem. Der Golfclub Bergisch-Land hat ein solch ein Gewitter-Warnsystem zum Schutz von Mitarbeitern und Spielern installiert. Der 1928 gegründete Bundesligaclub von Golf-Star Martin Kaymer setzt damit den neuesten Stand der Technik zum Schutz seiner Anlage ein.
Die Gewitter-Saison beginnt manchmal sehr früh. Die Monate April, Mai und der Junianfang sind dabei geprägt von extrem vielen Gewittern. Das System empfängt Live-Koordinatendaten von tatsächlichen Blitzeinschlägen in der Umgebung der Golfanlage mit höchster Genauigkeit und gibt diese Daten umgehend als Warnung, Alarm und Entwarnung standortabhängig an Menschen, die sich im Freien aufhalten weiter. Die Warnung und Entwarnung erfolgt vollautomatisch ohne menschliche Einflussnahme und bietet vielfältige Vorteile im Vergleich zur manuellen Gewitter-Warnung auf Golfanlagen. Das System objektiviert Wetterwarnung und ersetzt womöglich falsche und personengefährdende subjektive Einschätzungen durch faktische Messtechnik.
Das System wird auf zahlreichen Sportplätzen, Freibädern und Freizeitanlagen eingesetzt. Unter anderem auch in der Fußballbundesliga.
5 Gewitter-Mythen aufgeklärt
Mythos 1: Buchen musst du suchen, Eichen musst du weichen
Falsch! Und sicherlich einer der gefährlichsten Mythen, denn bei Gewitter sollte man ALLE Bäume meiden. Schlägt der Blitz in den Stamm ein, kann die Spannung überspringen oder Äste brechen ab. Wer beim Gewitter unterwegs ist, sollte besser ein Gebäude aufsuchen oder sich ins Auto setzen. Im offenen Gelände eine Senke suchen, sich hinhocken und klein halten, um das Risiko eines Blitzeinschlags zu minimieren.
Mythos 2: Der Blitz schlägt nie zweimal an derselben Stelle ein
Falsch! Tatsächlich kann ein Blitz mehrmals an derselben Stelle einschlagen. Insbesondere, wenn der Ort eine hohe Anziehungskraft für Blitze hat bzw. einen geringen elektrischen Widerstand, wie beispielsweise hohe Gebäude oder Türme. Blitze schlagen in der Regel an Orten mit dem Weg des geringsten elektrischen Widerstands ein. Hohe, spitze Strukturen wie Bäume, Gebäude, Masten, Türme und Berge sind typische Angriffsziele für Blitze, weil sie den kürzesten Weg zur Erde bieten. Vorhersehbar ist es allerdings nicht.
Mythos 3: Bei Gewitter ist Schwimmen lebensgefährlich
Wahr! Sofort raus aus dem Wasser! Wasser ist ein exzellenter Leiter für elektrische Energie, auch wenn der Blitz nicht direkt ins Wasser einschlägt, kann er elektrische Ladungen in der Umgebung verteilen. Und sogar in mehr als 100 Meter Entfernung. Beim Schwimmer können diese Ströme einen Schock auslösen und zum Ertrinken führen.
Mythos 4: Bei Gewitter ist man im Auto sicher
Wahr! Das Auto dient bei einem Blitzeinschlag als sogenannter Faraday’scher Käfig. Der Strom wird bei einem einschlagenden Blitz dank der Karosserie um die Insassen herum gelenkt und direkt in die Erde abgeleitet. Solange man im Auto keine Metallteile berührt. Für Wohnmobile und Cabrios gilt das auch, wenn das Verdeck geschlossen bleibt. Fahrradfahrer und Motorradfahrer sollten bei Gewitter besser absteigen und sich von dem Gefährt entfernen.
Mythos 5: Bei Gewitter alle Stecker ziehen
Jein, in Gebäuden mit Blitz- und Überspannungsschutz ist es eigentlich nicht nötig, alle Stecker der Elektrogeräte bei Gewitter herauszuziehen. Wer sich unsicher ist, ob ein solcher Schutz überhaupt vorhanden ist, sollte besonders teure oder empfindliche Elektronik vom Netz nehmen. Überspannungsschäden an Elektrogeräten über die Hausratversicherung abgesichert. Allerdings lohnt ein Blick in die Versicherungsbedingungen: Je nach Anbieter oder Versicherungstarif ist die Entschädigungsgrenze für Überspannungsschäden prozentual gedeckelt.