Der Morgen ist taufrisch, der Bounce der Bälle lässt noch zu wünschen übrig und auf dem Grün bremst die Restfeuchte der Nacht. Der 4er-Flight vor uns lässt es langsam angehen und so bleibt ein wenig Zeit für Naturbeobachtungen.
Und hier mitten im brandenburgischen Havelland mit seinen Mooren, Sümpfen und Kiefernwäldern gibt es da einiges zu sehen: Wasser- und Greifvögel, immer wieder mal ein Reh – und mit etwas Glück ein Feldhase. Gleich nebenan liegt das Naturschutzgebiet Riesenbruch, ein Teil des Naturparks West-Havelland; das macht jede Runde zu einer kleinen Safari. Und zu einem ruhigen Vergnügen – ohne Auto- oder Flugzeuglärm.
Auf den 150 Hektar des Golf Resorts Semlin waren bis zu seiner Gründung vor 30 Jahren die Spuren menschlicher Besiedlung eher spärlich zu nennen. Heute kann es schon mal voll werden, soweit man das auf einem 27-Loch-Platz sagen kann. Denn die Nähe zu Berlin (85 Kilometer) füllt die Anlage nicht nur an Wochenenden regelmäßig.
Rund die Hälfte der Clubmitglieder kommt aus der Hauptstadt. Und die Greenfee-Spieler überwiegend aus dem Rest des Landes sowie zu 20 Prozent aus halb Europa. Die bleiben oft wochenlang und probieren die vielfältige Golflandschaft rund um Berlin aus.
Sehr zur Freude von Geschäftsführer Bernd Eulitz. Der 63-Jährige mit internationaler Hotelerfahrung ist jetzt seit sechs Jahren in der Provinz zuhause: „Was mich hier reizt, ist einerseits die unvergleichliche Ruhe auf der einen und die enormen Entwicklungsmöglichkeiten auf der anderen Seite.“ Aktuell steht die Renovierung der 72 Zimmer auf seiner Agenda und der Bau eines Schwimmbades als Ergänzung zum vorhandenen Spa. Mit den Berliner Eigentümern Hannelore Werner, Mechthild und Michael Lieberkühn hat er nicht nur begeisterte Golfer im Rücken, sondern auch mutige Investoren. Und weil gerade so viel Neues entsteht, kommt der topfitte Hotelier kaum dazu, selbst einmal zu spielen und an seinem Handicap (25) zu arbeiten.
Seine neue Heimat, das Havelland hat ihm auch noch einiges zu bieten. Die uralte Kulturlandschaft rund um das Provinzstädtchen Rathenow hat die ersten Flugversuche von Otto Lilienthal gesehen, die Wanderungen von Theodor Fontane und gleich hinter der Landesgrenze nach Sachsen-Anhalt wurde Otto von Bismarck geboren.
In längst vergangene Zeiten versetzt fühlen kann man sich auf einem der Fischerkähne von Wolfgang Schröder in Havelaue. Sein 25-PS-Außenbordmotor schiebt uns gemütlich durch das dichte Geflecht der Wasserwege rund um die Havel. Er ist Fischer in vierter Generation und vermutlich einer der letzten seiner Art. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht, obwohl sein Geschäft mit Brassen und Barschen, Hechten und Aalen floriert.
In einem großen Wassertank sprudelt das Wasser lebende Wollhandkrabben durcheinander. Wie die Eindringlinge aus China hierherkommen? Die sind vor über 100 Jahren in den Ballasttanks von Frachtschiffen aus Fernost irrtümlich eingeschleppt worden. In Havel und Kanälen fand sie ideale Bedingungen. Kunden für die eingewanderte Delikatesse kommen vor allem aus Asien zu Wolfgang Schröder. Seine Fischbrötchen mit sauer eingelegten Filets oder auch seine Fischbratwürste dagegen finden ihre einheimischen, privaten Abnehmer. Nur Restaurants wollen zu seinem Leidwesen nicht anbeißen und kaufen lieber tiefgefrorenen Zander aus Kasachstan als seine Fische.
Golfresort-Geschäftsführer Eulitz hört aufmerksam zu und will demnächst mal seinen Küchenchef vorbeischicken. Denn den genussfreudigen Golfer hat er als weitgehend unentdeckte Zielgruppe jüngst ins Visier gefasst: „Neben unserem Hauptrestaurant Havelländer haben wir jetzt das Hasenpfeffer für Fine Dining.“ Maximal 30 Plätze mit schöner Terrasse direkt am letzten Loch des B Courses, einem perfekten Inselgrün. Hier gibt es Götterspeise vom geräucherten Aal mit Limetten Crème Fraîche, Rehbock in Cognac-Pfefferjus, aber auch ein Délice vom bretonischen Hummer.
Ansonsten ist das Havelland kulinarisch eher bescheiden aufgestellt. Allenfalls in Milow, im GastHof direkt an der Havel lässt sich anspruchsvoll genießen – mit Welsfilet mit Sellerie-Stampf-Nocken oder Ostseedorsch mit Spitzkohl-Schupfnudeln. Und für ganz aufgeschlossene Schlemmer bereitet der weitegereiste Patron Mathias Winterfeld auch mal ein mit Honigsauce glasiertes Meerschweinchen zu. Aber er ist klug genug, um das nicht offensiv auf die Karte zu schreiben.
Wegen der dürftigen Restaurantlandschaft im Havelland bleibt vielen Resortgästen nichts anderes übrig, als im Haus zu essen. Gerade erst waren die AK65-Herrenmannschaften zu Gast, um den deutschen Meister auszuspielen. Bernd Eulitz: „Nicht alle konnten bei uns wohnen. Das hat manche richtig traurig gemacht – auch wegen unserer kulinarischen Vielfalt.“
Und noch etwas unterscheidet Semlin, den ältesten Golfplatz Brandenburgs, von vergleichbaren Anlagen im Berliner Umland – die kurzen Wege. Innerhalb von fünf Minuten gelangt der Gast zu jedem der drei Abschläge. Danach weitet sich dann das Bild: 27 Loch auf 150 Hektar, das garantiert eine gewisse Weitläufigkeit. Auch dank des alten Baumbestandes, der zu Dreivierteln schon vor der Gründung vorhanden war, hat man selten Blick auf andere Flights beziehungsweise Spielbahnen. Ein Baum hat es sogar ins Logo des Resorts geschafft, die riesige Eiche von Spielbahn 9.
Sie steht genau da, wo gute Freizeitspieler ihren Abschlag platzieren. Wer sich an diesem Par 5 mehr zutraut, wählt die Tiger Line links vorbei. Auf Nummer Sicher geht es rechts lang. Die taktischen Varianten und die vielen Fairway-Bunker machen das Signature Hole von Semlin jedenfalls zu einem Vergnügen, das lange in Erinnerung bleibt. Ebenso wie die 26, ein weiteres Par 5. Linker Hand auf mittlerer Höhe beginnt ein schöner Teich, der das plateauförmige Grün halb umschließt. Wer es schafft, das unfallfrei anzuspielen, darf sich etwas erhaben fühlen und den Rundum-Blick von einem der höchsten Punkte in Semlin genießen. Jetzt noch das dreifach beteichte Schluss-Par 4 und einem schönen Abend steht nichts mehr im Wege.
An dessen Ende macht Küchenchef Christopher Franz, ein gebürtiger Magdeburger, noch Appetit auf ein Wiederkommen. Er habe da bei Verfügbarkeit einen königlichen Hasen im Angebot. Gemeint ist der französische Klassiker Lièvre Royal, ein Art Feldhasenroulade mit Gänsestopfleber in Rotwein-Hasenblutsauce, den hierzulande nur ganz wenige alte Meister im Repertoire haben. Wo er das denn gelernt habe, möchte ich wissen: „In der Schwarzwaldstube bei Harald Wohlfahrt.“ Also dem über viele Jahre besten Koch des Landes in Baiersbronn. Kann es einen besseren Grund geben, um wieder ins Havelland zu reisen – nicht nur für Hasenfreunde?
Infos:
Golf Resort Semlin, Ferchesarer Str. 8b, 14712 Rathenow OT Semlin,
Tel. Hotel 03385 5540, Golf 03385 554474
Restaurant Hasenpfeffer nur abends von Dienstag bis Samstag geöffnet
GastHof Milow, Stremmestraße 9, 14715 Milower Land OT Milow, Tel.: 03386-210145
Mittwoch Ruhetag
Fischerei Wolfgang Schröder
Gahlberg 2, 14715 Havelaue OT Strodehne, Tel. 033875 737