„Bären? Bei uns?“ Golf Manager Aljoša Berc wirkt ein wenig überrascht als er die Frage hört. Schnell fängt er sich: „Nein, haben wir nicht. Und außerdem ist unser Platz rundum eingezäunt.“ Wir sind mitten in Slowenien und dort in den Bergen sind Braunbären deutlich zahlreicher als Golfplätze. Hier am Rande des pittoresken Städtchens Bled liegt der älteste und mit Abstand edelste Platz des Landes – in einer bärenfreien Region. Er darf sich Royal Bled Golf Course nennen, weil bei seiner Gründung 1937 noch ein Königshaus regierte. Es war der erste 18-Loch-Platz in ganz Jugoslawien. Nach einer kriegsbedingt langen Golfpause erwachte der Platz erst in den frühen 70ern zu neuem Leben. 1993 kam ein weiterer 9-Loch-Platz hinzu.
Heute kann Royal Bled sich dank seiner golfbegeisterten und investitionswilligen Besitzer Gordana und Dragan Šolak (Telekommunikations-Unternehmer aus Serbien) mit den schönsten Plätzen Europas messen. 24 Greenkeeper machen einen ziemlich perfekten Job. Ihr zweistöckiges Arbeitsgebäude ist größer als die meisten Clubhäuser hierzulande – allein die Geräte-Garage misst 900 Quadratmeter. Aljoša nennt es spaßeshalber den „Palast der Greenkeeper“. Nicht ohne Stolz zeigt er mir vom nagelneuen Buggy aus sein Reich. Die teils abenteuerlich ondulierten Grüns, die imposanten Blickachsen mit den Karawanken oder Julischen Alpen im Hintergrund, die randvollen gekühlten Getränke-Boxen an mehreren Stellen und die beiden Gästehäuser – das kleine Lake’s House mit nur vier Zimmern aber einem stattlichen Pool und das denkmalgeschützte King’s House, die Keimzelle des Royal Bled, mit edlem Pro-Shop, Restaurant und zehn luxuriösen Suiten.
Manager Aljoša kennt viele Top-Plätze der Welt; Benchmarking muss in seiner Liga sein. Einmal bekam er ein verführerisches Angebot, den Arbeitsplatz zu wechseln. Seine Antwort war eindeutig, sagt er: „Kaufen Sie Royal Bled, die Liebe meines Lebens, dann kann ich für Sie arbeiten.“ Sein gesamtes Berufsleben hat der 40-Jährige hier, wo er als zehnjähriger Caddy begann, verbracht.
„Kaufen Sie Royal Bled, die Liebe meines Lebens, dann kann ich für Sie arbeiten.“
Aljoša
Mit seinem Head Pro Daniel Kraljič spiele ich am nächsten Morgen eine Runde. Der jungenhafte 57-Jährige gilt als bester Spieler Sloweniens und früher auch Jugoslawiens. Als Fabrikarbeiterkind hat er zwölf Jahre im heutigen King’s House gelebt – ohne Heizung und fließendes Wasser, mit zwölf weiteren mittellosen Familien. Mit neun hatte er die im kommunistischen Jugoslawien seltene Gelegenheit Golf zu lernen. Das ABC brachte ihm ein gestrandeter Engländer mit mäßigem Handicap bei, den Rest er sich selbst, zusammen mit ein paar anderen Kindern. Nach drei Jahren in Niederbayern ist er längst wieder an den Ort seiner Kindheit zurückgekehrt.
Heute spielt er mit bewunderungswürdiger Präzision und Eleganz ein Par nach dem anderen, auch mal ein Birdie und dann an der 12, einem Par 5 mit 422 Metern von Weiß ein Eagle. Nach dem soliden Abschlag hat er noch 190 Meter zum Grün. Mit seinem Eisen 3 legt er den Ball einen Meter neben die Fahne. Beim lockeren Putt ballt er die Faust und freut sich sichtbar: „Das war dieses Jahr mein erstes Eagle – auf unserem Platz.“
Das Restaurant des exklusiven Clubs (nur 75 Mitglieder!) spielt auch in einer höheren Klasse. Noch weiter oben ist nur noch Ana Roš. Sie hat mit ihrem Restaurant Hiša Franko in Kobarid zwei Sterne im Guide Michelin und gilt als eine der besten Köchinnen der Welt. Auch sie ist eine Autodidaktin und ist in ihr Elternhaus zurückgekehrt. Aus allen Kontinenten reisen Gourmets zu ihr und auch ihre 14 Köche kommen aus aller Welt. Einen Golfplatz gibt es in ihrer Nähe nicht, aber Bären. Auf ihrem Menü stehen gelegentlich Bärentatzen, zum Beispiel als Füllung einer Teigtasche mit einer Waldbrühe. Wieso hat sie Bärenfleisch auf der Karte?
„Wir haben in Slowenien sehr viele. Ungefähr 100 sind jedes Jahr zum Abschuss freigegeben, weil sie zu einer Gefahr geworden sind. Das Fleisch findet immer genügend Abnehmer, nur die Tatzen will keiner haben.“ Und da sie den Ehrgeiz hat in ihrer Küche alle Teile eines Tieres zu verwerten und örtliche Jäger, Sammler und Bauern zu unterstützen, hat sie manchmal auch Bär im Speiseangebot.
Manchmal finden die Bären auch den Weg ins benachbarte Kärnten. Bei Villach führt die berühmte Bärenbrücke über die Autobahn – errichtet vor rund zwanzig Jahren, um den gefahrlosen Wildwechsel zu ermöglichen. Aber erst in jüngster Zeit hat ein Bär diesen Weg genommen, wie eine Wildkamera zur Freude vieler Kärntner beweisen konnte. Nicht ohne Schmunzeln erzählt mir Georg Overs von der exklusiven Brücke. Er leitet das Tourismus-Büro in Villach und weiß, was Golfer hierher zieht: „Die sind ja sehr mobil und wollen möglichst viele Plätze spielen. Wir haben allein ein Dutzend Golfplätze im Kärntner Grenzland. Und fast noch einmal genau so viele drüben in Italien und Slowenien.“ Den Grenzübertritt spüre man in den meisten Fällen gar nicht – falls nicht Corona nationale Sonderregeln erfordert. Overs, ein gebürtiger NRWler, spricht gerne von der Alpen-Adria-Region, um das internationale Flair seiner neuen Heimat zu beschreiben. „Morgens eine Runde am Wörthersee und nachmittags in Italien! Warum nicht?“
Er empfiehlt mir eine Runde im edlen Golfclub Finkenstein am Faaker See. Schon das 200 Jahre alte Schloss mit seiner guten Gastronomie und herrlichen Sonnenterrasse macht einen exzellenten Ersteindruck. Obwohl er kaum Höhenunterschiede hat, wirken die Bahnen sehr abwechslungsreich. Breite Fairways verzeihen etwas unpräzises Spiel und auch die sechs Wasserhindernisse sind keine Ballschlucker. Außer an der 13, einem mittellangen Par 3, wo das Grün fast auf einer Insel liegt und an der 18, einem rund 500 Meter langen Par 5 wo gleich zwei Teiche zur Linken das Fairway etwas schmal wirken lassen. Andere Highlights liegen in der Ferne, der Villacher Hausberg Dobratsch, die Karawanken der markante Mittagskogel. Sie bescheren Panoramen wie aus dem Golfbilderbuch.
Zum Abschied spiele ich noch eine Runde auf Kärntens ältestem Golfplatz in Dellach am Südufer des Wörthersees, ein dringender Tipp meiner Finkensteiner Flightpartner. Noch zehn Jahre vor Royal Bled auf der anderen Seite der Grenze wurde er 1927 gegründet. Gleich daneben liegt übrigens die Keimzelle der FX Mayr-Diät, in einem ehemaligen Hotel, das in den 30ern des vorigen Jahrhunderts auch die britischen Royals anzog. Und noch etwas macht den Platz einzigartig. Wer mag, reist mit dem Dampfer an, steigt an der Anlegestelle Dellach aus und lässt sich vom Caddymaster abholen und zum Platz bringen.
Als Flightpartner habe ich zwei gebürtige Kärntner zugelost bekommen. Sigrid und Hans Rapatz wohnen längst in Wien, haben aber ihr Herz an den Wörthersee verloren. Bevor sie sich für eine Mitgliedschaft in einem der vielen Clubs entschieden, haben sie genaue Feldforschung betrieben. Es wurde Dellach, „weil hier jede Spielbahn anders und herausfordernd ist. Auch körperlich, denn insgesamt kommt man bei 18 Loch hier auf 250 Meter Höhenunterschied.“ Auf einen Buggy verzichten die beiden fitten Freizeitgolfer trotzdem. Beim 13. Loch geraten die beiden ins Schwärmen: „Unser Signature Hole, mit seinem atemberaubenden Panorama über den Wörthersee.“ Auch zur 14 kann Hans einiges berichten: „Das war nach dem Krieg eine Landebahn für die Engländer.“ Praktisch, dass man nach der Landung gleich eine Runde spielen konnte. Hoch oben über den Baumwipfeln des südlichen Ufers ragt eine Turmspitze heraus. Hans: „Das ist der Pyramidenkogel, ein 100 Meter hoher Aussichtsturm aus Holz. Eine der Top-Sehenswürdigkeiten in ganz Kärnten.“ Bei soviel Gesprächsstoff werden die Schläge zwischendurch mal etwas unkonzentriert und der Ball fliegt in eines der vielen, übrigens bärenfreien, Wäldchen am Rand. Hans hat da ein Rezept: „In Kärnten rufen wir dann laut ‚Sepp‘. Das ist ein Waldgeist, der den Ball dann hoffentlich wieder aufs Fairway zurückwirft.“ An diesem Morgen hat Sepp einiges zu tun…
Adressen:
Royal Bled, Vrba 37a, 4248 Lesce, Slowenien, Tel. +386 1 200 99 01, Übernachtungen ab 300 Euro für zwei Personen.
Golfclub Schloss Finkenstein, Schlossrainweg 8, 9585 Gödersdorf, Österreich, Tel. +43 4257 29201. Im Schloss gibt es acht Suiten ab 183 Euro für zwei Personen
Kärntner Golf Club Dellach, Golfstraße 3, 9082 Maria Wörth, Österreich, Tel. +43 4273 2515. Rund um den Wörthersee gibt es zahlreiche exzellente Hotels.
Wer lieber in der Stadt wohnt – Villach ist ein guter Ausgangspunkt für Fahrten auch in die Grenzregionen. Das modern stylishe Voco Hotel liegt direkt an der Draun, hat eines der besten Restaurants der Stadt und kostet ab 110 Euro für zwei Personen
Restaurant Hiša Franko, Staro selo 1, 5222 Kobarid, Slowenien,
Für Vielspieler interessant ist die AlpeAdria Golf Card: 20 teilnehmende Clubs, 195 Euro für drei Greenfees oder 310 Euro für fünf, und in der Vor- und Nachsaison spielt die zweite Person gratis.