„Pass bloß bei den Abschlägen auf, ob da eine unbeschnittene Washingtonia-Palme im Weg steht! Wenn du da in herabhängende, vertrocknete Palmwedel triffst, bleibt der Ball drin stecken und kommt wahrscheinlich nicht mehr raus“, hat mir mein neuer Freund Martin abends an seinem Kamin hoch über der an Golfplätzen reichen Südwestküste von Teneriffa zugeraunt. Der pensionierte britische Ingenieur für Flugsicherheit lebt schon seit vielen Jahren hier und kennt jeden der neun Inselplätze bestens. Wir waren längst bei der zweiten Flasche Wein angekommen, aber der Tipp hat gesessen.
Die Golfplätze Abama und Buenavista auf Teneriffa
Am Tag danach an der noblen Auffahrt zum Abama-Golfplatz geht der Blick über zahllose Palmen, saftig-grüne Fairways, die terrakotta-farbene Hotelanlage und den tiefblauen Atlantik bis hinüber zur Nachbarinsel La Gomera. Nach Ballschluckern sieht keine der hochgewachsenen Washingtonias aus, alle sind top-manikürt. Auch Pro-Shop und Empfang wirken so tadellos, wie man es bei einem hochpreisigen Platz erwarten kann. Verwunderlich nur, dass die freundliche Dame an der Rezeption so gar kein Englisch spricht, was dem reibungslosen Check-in keinen Abbruch tut: Der Buggy steht mit Namen versehen bereit und die Leihschläger sind schnell ausgesucht und vom Caddymaster aufgeladen. Der wiederum spricht ein 1a-Englisch und glänzt beim Smalltalk mit ebenso herausragenden Geographie-Kenntnissen. Besonders gut scheint er mittelkleine deutsche Provinzstädte zu kennen. Ob er dort Golf gespielt habe, möchte ich wissen. „Nein, Golf kann ich gar nicht spielen, aber Tipp-Kick. Und da bin ich viel auf internationalen Turnieren unterwegs.“
Während er sich also in den Mehrzweckhallen von Schwerte, Neumünster oder Bockenem-Bornum wohlfühlt, genießen wir die milde Seeluft Teneriffas. An der 1 knubbelt es sich etwas – drei nach uns spielende Flights sind schon da. Wir werden sie noch kennenlernen…
Erstmal geht es ein paar Bahnen bergauf – mit Überraschungen. Die Fairways sind so kurz getrimmt, dass der mittig auf der Bahn gelandete Ball auf der 2, einem kurzen Par 4, etliche Meter wieder zurückläuft. Und das trocken gefallene Wasserhindernis an der 3 entpuppt sich als optischer Tiefpunkt der Runde. An der 4 geht es über einen diesmal gut gefüllten großen Teich direkt aufs Grün – ein schönes Par 3 mit 182 Metern ab Gelb. Als idealer Orientierungspunkt dient ein Baukran hinter der Fahne. Auch der Bau-Lärm ist hier unüberhörbar, denn noch sind nicht alle Luxusresidenzen entlang der Bahnen fertiggestellt. Besonders gefährdete Immobilien sind durch Netze abgeschirmt. Trotzdem landet ein Fehlschlag mit einem hörbaren Plop in einem privaten Pool.
Ab der 6 geht es wieder zurück Richtung Wasser, mit einem herrlichen Blick auf La Gomera. So auch der Name dieser Bahn, denn alle sind individuell benannt.
Außer den vielen gepflegten Bunkern sind hier und da Fels- oder Geröllfelder geschickt eingeplante Hindernisse, die den Bällen überraschende Bounces ermöglichen. 10 (El Oasis) und 11 (El Palmeral) sind die wohl meistfotografierten Bahnen von Abama – wegen des Meerblicks und der vielen traumhaft platzierten Palmen an den Grüns. Und da der Vierer-Flight vor uns ein eher genussvolles Tempo vorlegt, bleibt immer mal wieder Zeit zu fotografieren. Das beschert mir an der 14 (La Isla) den Besuch eines etwas aufgebrachten Marshalls. Ich solle das Fotografieren sein lassen und schneller spielen, denn der nachfolgende Flight habe sich beschwert. Als ich am nächsten Loch wieder warten muss, bis die Bahn frei ist, suche ich das Gespräch mit den Beschwerdeführern, die auch schon aufgerückt sind. Es ist der erste der drei Flights vom Start, die untereinander ein kleines Turnier spielen. Jetzt können sie spätestens auch sehen, dass schnelleres Spielen gar nicht möglich ist und da es langsam dämmert, tun wir uns für die letzten drei Löcher zusammen. Die drei Mittvierziger sprechen Russisch untereinander, legen aber großen Wert darauf aus Lettland zu kommen. Den Mc Laren 765 Lt Spider in leuchtendem Türkis mit lettischem Kennzeichen auf dem Clubparkplatz kann ich jetzt auch zuordnen.
Der Tonfall wird netter, wir scherzen und smalltalken, ich darf die Jungs fotografieren, bekomme Tipps für weitere schöne Golfplätze auf der Insel und zum Schluss gar das Angebot mich von ihnen knipsen zu lassen. So schnell lässt sich unnötiger Druck abbauen.
Der Mc Laren donnert mit infernalischen Geräuschen vom Hof und ich genieße den Sonnenuntergang an der kleinen Bar des Clubhauses mit einem Feierabendbier. Und wäre ich nicht anderswo verabredet, würde ich bleiben: Das Kabuki, der besternte Japaner gleich unter der Bar, gilt als eines der besten Restaurants der Kanaren.
Mein Weg führt zu dem anderen exzellenten Japaner der Insel, dem Kensei im Hotel Bahia del Duque. Das Flaggschiff der Fünf-Sterne-Hotellerie Teneriffas ist bei Golfern beliebt wegen seiner zentralen Lage zwischen den meisten der neun Golfplätze der Insel. Und weil es trotz seiner 356 Zimmer und 40 Villen gar nicht wie ein großes Hotel wirkt. Eher wie ein traditionelles kanarisches Dorf, samt nachgeahmtem Kirchturm und farbenfrohen Fassaden der 19 einzelnen Gebäudeteile, die alle einen Frauennamen tragen. Auch Tennisspieler und Fußballprofis kommen gerne hierher, mehrmals schon z.B. der FC Liverpool mit seinem Trainer Jürgen Klopp, verrät mir Hotelmitarbeiterin Ane Ugarte. Außerdem fallen die Namen Elton John, Steve Tyler von Aerosmith und Simply Red. Und für den Sommer rechnet das Hotel mit Sting, der zu einem großen Konzert am 3. Juni auf dem Fußballplatz von Adeje erwartet wird.
Einer der Golfplätze, die nicht in der Nähe des Hotels liegen, ist der berühmte Buenavista Golf. Designed wurde er von Spaniens Golf-Legende Severiano Ballesteros. Eröffnung war im Oktober 2003. Gemanagt wird er von der erst 24-jährigen Laura Mojarro, die schon von Kindesbeinen an Golf spielt. Sie gibt mir einen Vorgeschmack mit auf den Weg: „Der Platz ist bekannt für sein herausforderndes Design und seine Vertracktheit.“
Buenavista liegt zwischen der schroffen Bergwelt des Macizo De Teno und dem hier im Nordwesten meist windumtosten Atlantik. Manchmal sollen die Wellen so hoch sein, dass sie bis auf die der Küstenlinie am nächsten liegenden Grüns schwappen. Dafür, dass das Salzwasser dabei keinen Schaden anrichtet, sorgt Spaniens Greenkeeper of the year 2014, José Fernando Borrajo mit seinen 18 Mitarbeitern. Der Club hat nur 98 Mitglieder. Das lässt Platz für die rund 37.000 Greenfeespieler, die jedes Jahr hierherkommen, ein gutes Drittel davon aus Deutschland. Meine Mitspieler z.B. aus Dortmund, Denise und Hans-Gerd.
An der 1 sorgt ein improvisationsfähiger Starter für einen geregelten Ablauf. Nicht jeder Spieler hält pünktlich seine Teetime ein, da reagiert man eben flexibel. Die Dortmunder entpuppen sich als Glücksfall – eine ähnliche Spiel- und Altersklasse, kein übertriebener Ehrgeiz und die Fähigkeit zu Smalltalk jenseits der Banalität. Die beiden kennen den Platz bereits – und seine Tücken: Starke Winde, große, ondulierte Grüns und an zwei Stellen sich kreuzende Fairways.
Das Spiel läuft flott, trotz gelegentlicher Ballsuche. Aber der Vierer-Flight vor uns lässt Gelegenheit dazu. Am sechsten Grün schlägt ein Ball dicht neben uns ein. Ein kräftiger junger Spanier in einem etwas zu klein geratenen fleischfarbenen Polo hatte sich wohl etwas verschätzt. Die Frage, ob ein lautes Fore nicht angemessen wäre, ignoriert er mit eisiger Miene.
Angesichts der grandiosen Ausblicke und der höchst abwechslungsreichen Spielbahnen verfliegt der Ärger schnell. Vor allem, wenn es auf den Atlantik zugeht (an der 10, 13 und 15), fällt es schwer, sich auf den Schlag zu konzentrieren und nicht der Schönheit zu erliegen.
Je weiter wir in Richtung Wasser kommen, desto mehr unbeschnittene Washingtonia-Palmen trennen die Spielbahnen voneinander – die mit den angeblich furchterregenden Eigenschaften. Aber meist stehen sie nahe an den Teeboxen. Wer nicht gerade ein kräftiges Socket hinlegt, ist auf der sicheren Seite.
Auf die Grüns schwappende Wellen erleben wir trotz Seegang an diesem Tag zwar nicht, aber an der 9 macht Hans-Gerd eine Wassererfahrung der anderen Art. Sein Ziehcart steht etwas zu nah an einem Wasserhindernis als eine Böe zuschlägt. Mit vereinten Kräften bekommen wir das Bag wieder ohne Schlägerverlust aufs Fairway.
Die 10, ein Par 5 (500 Meter ab Weiß) ist ein Meisterwerk des Platzdesigns. Es geht bergab auf ein enges Fairway mit viel Baumbestand auf ein bunkerbewehrtes, winzig erscheinendes Grün. Direkt dahinter der rauschende Ozean – und ein paar Spaziergänger, denn eine öffentliche Promenade verläuft knapp am Wasserrand. Und regelmäßig bleiben hier ein paar Neugierige stehen, um Golfer scheitern oder triumphieren zu sehen. Clubmanagerin Laura hatte mich gewarnt: „Hier haben schon einige Spieler das Gefühl erlebt, wie es ist, den Ball in den Ozean zu schlagen. Und ich muss gestehen, dass ich dazu gehöre.“ Nebenbei: Laura hat Handicap 10,4.
Kurz nach der intensiven Erfahrung haben wir das fleischfarbene Polo wieder im Nacken. Sein Träger spielt mit zwei gereiften spanischen Gentlemen. Ihnen gebe ich zu verstehen, dass uns ein schnelleres Spiel nicht möglich ist, weil es sich auch vor uns staut. Die beiden Senioren reagieren überaus freundlich: „Das macht doch gar nichts. Keine Eile. Wie gefällt Ihnen unser Platz?“ Die beiden gehören also zum kleinen Kreis der 98 Clubmitglieder. Auf meine Komplimente reagieren sie maximal erfreut: „Schön, dass es Ihnen gefällt. Ja, Ballesteros hat hier wirklich ein Meisterwerk geschaffen. Übrigens ist es der letzte Platz, den er in seinem Leben gestaltet hat.“
Fortan haben wir keinen Druck mehr von hinten, obwohl es rapide dämmert. Die berühmte 18 liegt noch vor uns, ein langes, leicht ansteigendes Par 4. Eindrucksvoll geschützt durch einen vom Fairways aus unsichtbaren Bunker und einen großen Teich, der das Grün an drei Seiten umschließt. Noch ein glücklich platzierter Annäherungsschlag über 90 Meter und eine ebenso aufregende wie beglückende Runde geht zu Ende.
Die Sonne ist schon hinter der Punta del Fraile verschwunden da erreichen wir das nahe Clubhaus – ganz ohne das Erlebnis verschluckter Bälle.
Adressen:
Abama Golf, Calle Pino Ojeda 2, 38687 Guia de Isora. www.abamagolf.com
Buenavista Golf, 38480 Buenavista del Norte. www.buenavistagolf.es
Bahia del Duque Hotel Avenida de Bruselas s/n 38660 Costa Adeje. www.thetaishotels.com/bahia-del-duque