Das soll einer der besten Golfplätze an der Ostsee sein? Die Adresse, Zum Belvedere, trägt ihren Namen zwar zu recht – der Ausblick über die steinzeitliche Endmoränenlandschaft ist wirklich schön. Aber das Clubhaus! Eine Art Containerzeile mit Efeubewuchs und kleiner Terrasse. Ein neues repräsentatives Clubhaus soll allerdings in Planung sein verrät mir mein Flightpartner Thies Bruhn – samt 72 Residenzen, die Platzeigentümer Anno-August Jagdfeld für den Luxus liebende Golfer bauen lassen will.
Schon der Abschlag an der 1 lässt die Baracke vergessen. Ein Par 5 mit weitem Blick über sanfte Hügel wie im Teletubby-Land, idyllische Weiher und urzeitliche Felsbrocken. Thies Bruhn schlägt mit beeindruckender Präzision ab. Erst jetzt erfahre ich, dass er ein Handicap von 0,5 hat. Das macht mir allenfalls Hoffnung auf die Nettowertung.
Seit einem guten Jahr ist der gebürtige Kieler an diesem Teil der Ostsee – als Direktor des hochkarätigen Grand Hotels Heiligendamm. Er hat dabei ein glasklares Ziel: „Wir wollen an die Spitze der europäischen Resort- und Ferienhotellerie – gleichauf mit der Sonnenalp im Allgäu, Schloss Elmau bei Garmisch und der Villa d’Este am Lago di Como.“ Einen Startvorteil hat sein Hotel: Die Anfänge reichen bis ins Jahr 1793 zurück, als Deutschlands erstes Seebad hier gegründet wurde. In der Folge gaben sich die Zarenfamilie und der europäische Hochadel in Heiligendamm die Klinke in die Hand.
Zarenhaft sieht auf dem zunehmend sonnigen Platz niemand aus. Allerdings treffen wir auch kaum jemand aus der Nähe. Vielleicht, weil alle eine ähnliche Spielgeschwindigkeit haben, vielleicht weil der stramme Sommerwind so manchen Sonntagsspieler vom Golfen abgehalten hat.
Die ohnehin schwer zu spielenden, liebevoll geschwungenen Grüns machen selbst das Putten zu einem kleinen Kampf gegen die Naturgewalten. Dem Binnenlandgolfer verhungert da so mancher Putt im Gegenwind, und bei Rückenwind geht es flott Richtung Vorgrün.
Auch wenn Platzarchitekt und Geschäftsführer Werner Gallas bei der Gestaltung der 2007 eröffneten 27-Loch-Anlage beherzt so manches Moränental tiefer, so manchen Hügel höher gelegt hat – die Natur hat sich längst wieder artenreich eingerichtet. Die Wasserfläche beträgt insgesamt stattliche fünfeinhalb Hektar. Bei einer durchschnittlichen Wassertiefe von drei Metern kommt da genügend Wasser für die Platzbewässerung und für eine halbe Arche Noah zusammen. Feuersalamander, Kammmolche, Eisvögel, europäische Flusskrebse, Saiblinge und (leider) auch etliche ständig hungrige Kormorane haben den Weg auf den Golfplatz gefunden. Werner Gallas: „Wenn einmal im Jahr die Balltaucher kommen, protokollieren die auch den Bestand von Teichmuscheln in Bitterlingen. Die leben nämlich in einer Symbiose, die es nur bei exzellenter Wasserqualität gibt.“
Fischotter lassen sich auch zuweilen blicken und an Loch 4 haust eine Füchsin mit ihren überhaupt nicht scheuen Jungen – Thies Bruhn hat ein herzerwärmendes Video davon auf seinem Smartphone.
Obwohl er jetzt in der Hochsaison ein volles Haus hat – coronabedingt auf 60 Prozent Auslastung limitiert – kommt der Hotelier mindestens zwei Mal pro Woche zum frühmorgendlichen Spiel vorbei. Entsprechend intim sind seine Platzkenntnisse, die er gerne teilt. Hinter so manchem Hügel etwa ist die Fahne oft nicht auszumachen. Orientierung schaffen an manchen Löchern die fünf Meter hohen Vogelkrücken, deren eigentlicher Zweck darin besteht, den vielen Greifvögeln hier als Aussichtsplatz zu dienen. So geht natürliches Wühlmausmanagement…
Als langjähriger Bundesligaspieler kennt Thies Bruhn alle relevanten Plätze des Landes. Den 18-Loch-Meisterschaftsplatz von Wittenbeck hält er für einen der schönsten: „Wenn noch ein paar Topfbunker da wären, hätten wir hier einen ziemlich perfekten Linkskurs.“ Ob das nach 30 Jahren bei Kempinski der Grund für seinen Abschied Vordermann renommierten Hotelgruppe war? Der 53-Jährige muss lachen: „Ich war zuletzt elf Jahre in Slowenien. Da hatten wir auch exzellente Plätze, zum Beispiel den Royal Golf Club in Bled, einen der zehn schönsten in ganz Europa.“ Der wahre Grund liege in seiner langen Freundschaft zu Paul Morzynski, dem Eigentümer des Grand Hotel Heiligendamm: „Er bat mich, sein Haus zu leiten und mit dem hervorragenden Team hier vor Ort weiter zu entwickeln.“ Erste Maßnahmen: Ein neuer großer Außenpool, modernste Computer- und Telefontechnik, ein neuer Rundum-Anstrich für die Weiße Stadt am Meer und volle Unterstützung für das Team um Spitzenkoch Ronny Siewert. Dessen kleines Restaurant Friedrich Franz soll nämlich das erste zweifach besternte in ganz Mecklenburg-Vorpommern werden.
Vier Birdies später am 19. Loch bringt Thies Bruhn seine Haltung auf den Punkt: „Autos, Mode, Uhren, Schuhe – Europa ist der Kontinent auf dem Luxus erfunden wurde. Deshalb passt so ein besonderes Haus wie Heiligendamm auch genau hierher und muss auch weiterhin ein Trendsetter sein.“
Und wie verträgt sich das mit dem Barackencharme des provisorischen Clubhauses? „Ganz einfach – die machen hier einen Pflaumenkuchen der Weltklasse…“
1 Kommentar
Sie haben alles in ihren Artikel reingebracht, was richtig u wichtig ist.
So dass man gar nicht merkt, dass es
auch gute Werbung ist, chapeau!