Der Neuanfang sah nicht gut aus. Dünger war nach dem zweiten großen Krieg Mangelware. Aber die Engländer brauchten einiges davon für ihr Bowling Green. Und, so geht die Clublegende, der erste Vereinspräsident nach dem Krieg, sah 1949 da ein Dilemma: „In ganz Travemünde gibt es nur noch ein Pferd.“
Irgendwie ist es dann doch nochmal gut gegangen. Heute hat der Platz an der Travemündung 27 bestens gepflegte Bahnen. Der Düngerengpass ist offensichtlich längst beseitigt.
Damals dominierten feine Hamburger den Club an der Ostsee – auch weil das traditionsreiche Casino in Travemünde eine weitere Attraktion in der vergnügungsarmen Zeit war.
Heute sind die Lübecker und Travemünder Golffreunde weitgehend unter sich. Aber dazu kommt eine stattliche Anzahl urlaubender Greenfeespieler. Bernd Aido, der zweite Clubvorsitzende: „Deshalb soll es ein Platz sein, der Spaß macht. Auch golfende Urlauber haben bei uns die Chance auf einen schönen Tag.“ Also ohne Frust über nicht einsehbare Bahnen oder tückisch verborgene Bunker und Teiche. Und dank der vielen Bahnen gibt es auch keine festen Abschlagzeiten.
Driving Range mit Wow-Effekt
Den ersten Wow-Effekt erlebt der Erstbesucher auf der Driving Range: 250 Meter Tiefe und großzügige Weite mit Panoramablick auf die Lübecker Bucht. Ein paar buntlackierte Ölfässer dienen als auch akustisches Ziel für Präzisionsspieler. Kenner der nordischen Golfszene halten dies für die schönste Range an der gesamten Ostseeküste.
Dort und auf dem Platz begegnen einem erstaunlich viele junge Golfer. Von den 1.200 Mitgliedern sind 200 Jugendliche. Eine junge Europameisterin, die auch zwei deutsche Meistertitel errungen hat, ist darunter. Bernd Aido: „Wir wollen hier ganz bewusst Familien haben, denn oft kommen erst die Kinder, dann die Mütter und schließlich werden die Väter vom Golfvirus infiziert.“ Auch deshalb verzichtet der Club auf happige Investitionskostenzuschüsse.
In diesem Jahr erlebt der herrliche Platz besonders starken Zulauf. „Alle wollen in Coronazeiten raus. Wir haben so viele Golfer wie noch nie. Auch, weil all die Mallorca- und Portugal-Golfer jetzt im Inland bleiben.“
Überlaufene und gesperrte Strände in der Hochsaison, volle Hotels und Restaurants. Die deutsche Ostseeküste erlebt nach dem schmerzlichen Lockdown eine unerwartete Blüte. Für den passionierten Golfer Kay Plesse aber bedeutet das eine Zwangspause auf dem Golfplatz. Denn der Direktor des Atlantic Grand Hotels, dem ehemaligen Casino mitten in Travemünde, kommt derzeit nicht dazu; alle Zimmer sind ausgebucht. Er vermisst das morgendliche Spiel auf dem nahe gelegenen Platz: „Da sind so viele liebe Menschen, die genau wie ich von der Natur hier begeistert sind. Und auch das Miteinander mit den vielen Greenfeespielern klappt bei uns ziemlich gut.“ Seiner wachsenden golfenden Klientel bietet er verschiedene günstige Arrangements an. Darunter seien auch viele, die ursprünglich lieber auf den Malediven gewesen wären, aber nun dummerweise und oft erstmals am Ostseestrand gelandet sind. Der gebürtige Lüneburger sieht in ihnen eine Chance – zukünftige Stammgäste wider Willen quasi.
Thomas Mann übrigens ist den umgekehrten Weg gegangen. Er war nie auf den Malediven, aber ein häufiger Gast auf Travemündes Promenade. Ein Schwarz-Weiß-Foto vor der Hotelbar zeigt den Nobelpreisträger mit Hut an dem Ort, wo er nach Selbstauskunft „die glücklichsten Tage meines Lebens verbracht hatte“. Im Hintergrund das heutige Grandhotel, das damals noch das örtliche Spielcasino war. Es muss eine glamouröse Zeit gewesen sein – Aristoteles Onassis und Curd Jürgens an den Spieltischen, Josephine Baker auf der Bühne des angeschlossenen Nachtclubs La Belle Epoque.
Der Lübeck-Travemünder Golf-Klub steckte da noch in seinen Neu-Anfängen. Ein paar der alten Bahnen sind heute noch da, auf den beiden Parcours B und C. Dort stößt man bei Loch C23 auf eine echte Herausforderung. Ein schön eingewachsenes Par 3 mit 190 Metern ab Gelb. Auf halber Strecke zum Grün haben sich allerdings zwei stattliche Eichen breit gemacht. Was tun? Bernd Aido, der zweite Club-Vorsitzende, lacht bei der Frage. „Selbst echte Könner gehen das hier taktisch sehr unterschiedlich an. Manche spielen drüber, andere versuchen direkt durch die Bäume zu kommen.“ Die meisten Hobbyspieler allerdings legen den Ball vor und geben sich mit maximal einem Bogey zufrieden.
Toni ist so ein gereifter Routinier ohne übertriebenen Ehrgeiz. Wir treffen auf dem C-Parcours aufeinander und spielen die restlichen Bahnen zusammen. Seine Frau begleitet ihn ohne zu spielen, aber berät ihn sehr sachkundig bei der Schlägerauswahl. Außerdem pflückt sie nebenher ein paar Kirschen an den am Fairwayrand von C27 liegenden Bäumen. Toni kommt aus Schweden und wirkt in jeder Beziehung tiefenentspannt. Ein präziser Spieler, der beim Golf vor allem Entspannung sucht und keine Triumphgefühle. Zum Abschied schenkt mir seine Frau die frischen Kirschen – gastfreundlicher geht es kaum.
Zurück auf der loungigen Terrasse des neuen Klubhauses lächelt Bernd Aido über die Begegnung und gibt einen Einblick in nordische Gelassenheit: „Schweden spielen irgendwie anders Golf. Es passiert öfter, dass ein Vorflight plötzlich verschwunden zu sein scheint. Die haben dann ihr Spiel unterbrochen und machen erst mal ein Picknick in den Dünen.“
Adressen:
Lübeck-Travemünder Golf-Klub von 1921 e.V., Kowitzberg 41, 23570 Travemünde. www.LTGK.de
Atlantic Grand Hotel Travemünde, Kaiserallee 2, 23570 Travemünde. www.atlantic-hotels.de