Die 18-jährige Amelie González Podbicanin zählt zu den besten Golfspielerinnen in Deutschland. Und sie ist beidseitig fast vollständiger Ertaubt. Bereits im Kleinkind-Alter erhielt die ambitonierte Spitzensportlerin Cochlea-Implantate, so dass sie heute uneingeschränkt am Alltag teilhaben kann und dank ihrer Leistung dem Kader der deutschen Deafgolf-Nationalmannschaft zahlreiche Erfolge beschert.
Das Abitur legte sie letztes Jahr erfolgreich ab, bei der Bewerbung für einen Bundesfreiwilligendienst in einer Schutzstation im Wattenmeer auf Hörnum/Sylt wurde sie aus über 1.000 Bewerber:innen ausgewählt, 2019 wurde sie als 14-Jährige Europameisterin und ein Jahr zuvor Team-Weltmeisterin Deafgolf und stand bei den diesjährigen Deutschen Meisterschaften bereits zum fünften Mal auf dem Siegertreppchen: Amelie González Podbicanin. Die gebürtige Heidelbergerin ist ein Talent und wird zukünftig sicherlich nicht nur im Golfsport für Aufsehen sorgen. Beachtlich ist ihre Leistung besonders deshalb, weil Amelie quasi seit Babyalter beidseitig ertaubt ist. Dank frühzeitigem Einsatz von Implantanten im Alter von nur 11 und 18 Monaten erlernte sie das CI-unterstützte Hören von klein auf, sodass die Hörbeeinträchtigung für sie heute im Alltag und beim Sport kein Handicap mehr darstellt.
Amelie, à propos Handicap – wo liegt dein Handicap aktuell im Golfspiel?
Bei + 0.9
Du spielst in der DeafGolf – in welchem Verein? Spielst Du hier nur mit anderen Gehörlosen?
Ich spiele außerhalb der Gehörlosen für den Golfclub Mannheim-Viernheim in der Damenmannschaft. Wir sind gerade von der Regionalliga in die 2. Bundesliga aufgestiegen.
Die Liste Deiner sportlichen Erfolge ist ganz schön lang – worauf bist du besonders stolz?
Meine größten Erfolge sind definitiv Europameisterin Deafgolf im Jahr 2019 und Team-Weltmeisterin Deafgolf 2018 und natürlich der 3. Platz im Einzelwettbewerb. Dieses Jahr wurde ich internationale Meisterin der Behinderten, was für mich auch ein großartiges Ereignis war.
Du trägst ja quasi schon lebenslang Cochlea-Implantate – warum haben sich Deine Eltern damals für diese Hörlösung entschieden?
Wegen des Verdachts auf Innenohrschwerhörigkeit vermutlich nach einer Mittelohrentzündung wurde bei mir eine Hirnstammaudiometrie (BERA) gemacht – mit der Diagnose, dass ich wohl „mausetaub“ sei. Meine Eltern taten aber alles dafür, dass ich hörend aufwachse und entschieden sich für eine Cochlea-Implantation. Mit 11 Monaten bekam ich zunächst ein Cochlea-Implantat auf der rechten Seite, 7 Monate später das zweite auf der linken Seite.
Meinen Eltern war es wichtig, dass ich von frühester Kindheit an einen möglichst natürlichen Höreindruck haben sollte, ich sprechen lernen und mich normal entwickeln konnte. Die Zeit der Anpassung und Eingewöhnung war nicht immer einfach, das weiß ich noch. Aber letztendlich sprach ich perfekt auf die Implantate an, konnte schnell Geräusche differenzieren und merkte, dass mir das Hören nach und nach immer besser gelang. Logopäden und HNO-Fachärzten und Experten von MED-EL begleiteten und unterstützten mich dabei mit individuell auf mich zugeschnittenen Trainings. So konnte ich schließlich sogar wieder uneingeschränkt hören, eine normale Regelgrundschule besuchen und schloss hier stets als Klassenbeste ab. Ich lernte Violine zu spielen, das schulte mein Gehör ergänzend.
Du spielst nun schon 13 Jahre Golf, seit Deinem 5. Lebensjahr. Wie bist Du auf diesen Sport gekommen?
Ich wollte schon als Kleinkind unbedingt Golf spielen. Wir sind früher in einem Golfclub zum Essen gegangen, da wurde wohl mein Interesse an dieser wahnsinnig vielfältigen Sportart geweckt. Golf erfordert eine hohe Konzentrationsfähigkeit und mentale Stärke – beides habe ich bereits früh auch durch den Umgang mit den Cochlea-Implantaten gelernt.
Das Tolle an Dir ist ja, dass Du Golf sowohl mit als auch ohne CI spielst. Und das mit größtem Erfolg. Beim Spielen gibt es sicherlich große Unterschiede und zusätzliche Herausforderungen – kannst Du uns das erklären?
Bei Deaf-Golf-Turnieren muss ich grundsätzlich ohne Cochlea-Implantate spielen. Das ist dann wirklich etwas ganz anderes, wenn man sonst wie ich nur die „normalen“ Turniere spielt. Dann spielt man wirklich im gehörlosen Zustand und die akustische Rückmeldung von den Schlägen, die Geräusche von Wind und Umgebung fehlen. So ist auch das räumliche Spiel ein anderes und ich muss mich darauf konzentrieren und bewusst einstellen.
Wie oft trainierst Du?
Ich trainiere bis zu sechs Mal die Woche, dennoch ist es abhängig, wie und wann meine Tuniere stattfinden. Ich richte mich immer nach einem Tag, an dem ich eine kleine Pause einlege bzw. kein Golf spiele. Abwechslung und Regeneration sind für mich das A und O.“
Aktuell bist du ja auf Sylt und machst einen Bundesfreiwilligendienst. Was machst Du genau?
Ich bin Schuttin – also eine Freiwillige der Wattenmeer-Schutzstation Hörnum. Ich fand die einmalige Naturlandschaft des Wattenmeers schon immer faszinierend und durch mein Golfspiel, das immer im Freien, egal bei welchem Wetter, stattfindet, war dieser Dienst für mich ideal. Durch meine Höreinschränkung und das geschulte Hören mit dem CI bin ich grundsätzlich sehr diszipliniert, aber auch der gelernte Umgang mit Stresssituationen im Leistungssport tragen dazu bei, dass ich sehr gute Voraussetzungen für die Ausübung dieser vielfältigen und auch anspruchsvollen Stelle mitbringe.
Wie sieht es im Anschluss aus? Was sind Deine Pläne?
Mein ursprünglicher Traum war es, Medizin zu studieren. Das hat sich aber geändert. Derzeit denke ich darüber nach, Architektur mit Spezialisierung auf Innenarchitektur zu studieren. Dank meiner Cochlea-Implantate stehen die Chancen gut, dass ich mir diesen Traum erfüllen kann. Umso dankbarer bin ich für die innovative Technologie, die mir das nun ermöglicht.