Nach dem Tod von Grayson Murray im letzten Monat sprachen jetzt viele Golfprofis über die Frustrationen, Herausforderungen und die Einsamkeit, die mit dem Leben eines Golfprofis auf der Tour einhergehen. Offen wagte bisher kaum jemand darüber zu sprechen. In der Männerdomäne wollte man keinesfalls als „Weichei“ dastehen und sich damit eine vermeintliche Blöße geben.
Wie gehen Profisportler mit Krankheiten um?
Im Sport kein Einzelfall. Erinnern Sie sich noch an Fußball-Nationaltorwart Robert Enke? Sein Suizid und die jahrelang verborgene schwere Depressionen erschütterten nicht nur die Sportwelt. Was hat sich seitdem verändert? Gehen die Sportprofis seither offener mit der Krankheit Depression um? Es gibt nur eine kleine Gruppe von Sportlern und Sportlerinnen, die es sich zutraut, offen mit dieser Krankheit umzugehen. Immer noch wird dies im Sport als Schwäche ausgelegt.
So wartet auf einer Driving Range vielleicht der Trainer oder ein Caddy, der dabei hilft, die Grüns zu lesen – ganz zu schweigen von ein paar Hundert Fans, welche die Fairways säumen und aufgeregt Zeugen des Trainings der Profis sind, dabei ihre Smartphones in der Luft halten, um das ganze Geschehen aufzuzeichnen. Einen Psychologen nehmen kaum Spieler zu Hilfe.
Der Abschlag als einsamster Ort auf dem Platz
Aber wenn es dann zum ersten Abschlag bei einem Turnier vor Tausenden von Zuschauern und TV-Kameras geht, kann sich der Abschlag wie der einsamste Ort auf dem Golfplatz anfühlen. Es wird der Name des Spielers, seine Nation und seine Meriten aufgerufen. Man kann noch solange Golfprofi sein, es gibt kaum einen Spieler, der nicht ein leichtes Kribbeln in seiner Magengegend spürt. Man kann es wahrscheinlich nur mit dem Betreten der Bühne eines Opernsängers oder Schauspielers vergleichen.
Der ganze Sport kann in der Tat isolierend sein, eine verrückte, einsame Aktivität, bei der die Belohnungen allzu oft flüchtig ist und die Misserfolge überwältigend sind. „Das Unglückliche an dem, was wir tun, ist, dass es so einsam und sehr schwierig ist“, so Golfprofi Scotti Scheffler.
Zu oft denke ich, dass die Spieler in Bezug auf Ergebnis und Ergebnis so sehr voneinander abhängig sind und dass vor allem Einzelsport so frustrierend und so hart ist. Es gibt diese wirklich einsamen Zeiten, in denen man beispielsweise den Cut verpasst hat.
Man wirft die Schläger ins Auto, fährt ins Hotel, packt schnellstens die Habseligkeiten und will nur noch weg.
Befreundete Spieler sprechen untereinander mittlerweile offen über die Frustrationen, Herausforderungen und Einsamkeit, die zum professionellen Golfsport gehören. Die letzten Wochen haben einige der psychischen Herausforderungen deutlich gemacht, mit denen professionelle Golfer und Einzelsportler im Allgemeinen konfrontiert sind.
Am 13.6. beginnen in Pinehurst auf dem berühmten Pinehurst No. 2 (einem von 6 Plätzen dort) die US Open. Was man so hört, leiden immer noch viele Spieler unter dem plötzlichen Verlust ihres Kollegen Grayson Murray, ein 30-jähriges, beliebtes PGA-Tour-Mitglied. Er starb wenige Stunden nach seinem Rückzug von der Charles Schwab Challenge in Fort Worth/Texas durch Selbstmord. Murray hatte im Laufe der Jahre offen über seine Probleme mit Depressionen, Angstzuständen und Alkohol gesprochen.
Golfprofis sind nicht für das Tourleben geschaffen
„Wir sind nicht dafür geschaffen, dieses Leben alleine zu führen“, sagte Scottie Scheffler, ein Freund Murrays, der zur Zeit der weltbeste Golfer ist, in einer Laudatio über Murray. „Wir alle tragen viel mehr Gepäck mit uns herum, als wir zugeben – auch ich selbst.“
Bereits in der Vergangenheit, viele Jahre zurück, erinnere ich mich, dass viele, ja viele sehr prominente Golfer, wie unter anderem Tom Watson, um nur ein Beispiel zu nennen, unter Alkoholproblemen litten. Watson machte dies sogar öffentlich. Auch er, als Superstar der damaligen Zeit, versuchte so, mit dem Druck des Profisports umzugehen.
Auch Lexi Thompson, ein 29-jähriger LPGA-Star auf der Damenpro-Tour, überraschte die Golfwelt, als sie Pläne ankündigte, am Ende der Saison in den Ruhestand zu gehen, und verwies dabei unter anderem auf die „Kämpfe“ um die psychische Gesundheit und den Druck, dem das Leben auf Tour ausgesetzt ist.
Schwer mit einem Privatleben vereinbar
Gerade durch die jährliche Hetze rund um den Globus, von Kontinent zu Kontinent, führt zu einer inneren Einsamkeit. Das Scheitern vieler Ehen, siehe Tiger Woods oder in letzter Zeit Rory McIlroy, gehört ebenfalls zu den Schattenseiten des Profilebens. Soziale Bindungen und Freundschaften sind sehr selten in diesem Geschäft. Manchmal vergleiche ich Profi-Golfen mit dem Boxsport, nur dass im „Golfring“ keine körperliche Gewalt stattfindet.
Vor einiger Zeit hatte ich eine Diskussion mit einem Golflehrer, er konnte nicht verstehen, dass ein Spitzenpro auf der Tour eine 85 spielte. Dies, meinte er, würde ihm nie passieren. Es ist schwierig, jemand diesen Druck zu erklären, wenn man bei großen Turnieren oder Rennen antritt. Nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern auch aus vielen vertraulichen Gesprächen mit Sportlerfreunden, auch aus anderen Sportarten, beispielsweise dem Skirennsport, weiß ich, was in so einem Spitzensportler vorgeht, wenn er am Start steht. Hier sind oft Freundschaften entstanden, sportartübergreifend, weil jeder von dem Druck, der auf einem Sportprofi lastet, weiß.
Es ist nach wie vor ein Teil des Geschäftes, sich diesen Druck gegenüber Medien und Fans nicht anmerken zu lassen. Somit entsteht eben leicht der Eindruck: Wie kann er nur diese 85 spielen?
Liebe Leser und Leserinnen, glauben Sie mir, das Argument, er oder sie erhält ja jede Menge Geld dafür, gilt für die wenigsten Profis. Ich kenne kaum einen Profisportler, der seinen Sport vorrangig wegen des Geldes ausübt. Nein, es ist in erster Linie die Liebe zu seinem Sport. Auch diese wünsche ich Ihnen für diese Golfsaison.
Ihr
Heinz Schmidbauer